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Der Tagesspiegel: Wolfgang Schäuble zur Diskussion um RAF-Ausstellung

Berlin (ots)

Antje Vollmer beschäftigt sich mit der Debatte über
eine geplante Ausstellung, die den Titel "Mythos RAF" tragen soll.
Dürfen wir uns nicht, so fragt sie, an eine Gewalterfahrung
erin-nern, die beendet ist? Gewiss doch, aber ein paar Gegenfragen
sollten schon erlaubt sein:
Die erste, vielleicht ganz banale: Braucht es dazu öffentliche
Mittel? Muss der Steuerzahler wirklich die vielleicht
selbstquälerische Debatte von Sektierern, die in ungezügelte Gewalt
abgeglitten sind, finanzieren? Nach den im Internet zugänglichen
Fahndungsunterlagen des Bundeskriminalamtes besteht beispielsweise
der Verdacht, dass durch ehemalige Mitglie-der der RAF noch am
30.07.1999 bei einem bewaffneten Überfall auf einen Geldtransporter
rund eine Million DM erbeutet wurden.
Das führt zur zweiten Gegenfrage. Wenn schon
"Entmythologisierung", ist dann nicht Auf-klärung die Voraussetzung?
Der Theologe Bultmann hat den Begriff eingeführt über die
Sinnerschließung des Neuen Testaments durch Abgleich mit modernen
natur-wissenschaftlichen Erkenntnissen, und allgemein versteht man
unter "Entmythologisie- rung" die Säuberung mythischer Reste durch
Erkenntnisse der Realität. Was immer an der RAF mythisch gewesen sein
soll, zunächst müsste man also Taten und Täter wenigstens kennen.
Aber die Morde an Alfred Herrhausen, Detlev Rohwedder und anderen
sind noch immer nicht vollständig aufgeklärt, und die Täter entziehen
sich der irdischen Gerechtigkeit weiterhin.
Antje Vollmer erinnert an ihre Initiative für einen Dialog
staatlicher Stellen mit Inhaftier-ten der RAF vor 20 Jahren, die
damals von Staatssekretär Klaus Kinkel und der Bundes-regierung
aufgegriffen wurde. Grundlage dafür aber war, dass die Täter der
Bestrafung zu-geführt worden waren. Unter dieser Voraussetzung kann
der Rechtsstaat auch groß-zügig sein. Für jeden gibt es eine neue
Chance, aber die Voraussetzung für Umkehr ist, dass die Verletzung
des Rechts erst einmal festgestellt ist. Wer sich dem entzieht, kehrt
nicht um, sondern taucht allenfalls unter.
Und wer denkt an die Opfer, an die Angehörigen, die auch Opfer
sind? Dabei geht es nicht um Rache. Die bringt die Toten nicht
zurück. Aber nur die rechtliche Entscheidung schafft Klarheit, und
die ist Voraussetzung zur Befriedung - Rechtsfrieden, den die
rechtskräftige Entscheidung schaffen kann und soll.
Und schließlich, was heißt eigentlich "Mythos RAF"? "Sage als
symbolischer Ausdruck ge-wisser Erlebnisse bestimmter Völker", ist
eine Definition im philosophischen Wörter-buch für Mythos. Die den
mythischen Begriffen zugrunde liegenden Erscheinungen werden als ra-
tional unerfahrbar und unbegreiflich, stattdessen aber als
ehrfürchtig hinzunehmen darge-stellt. Kein Wunder, dass Angehörige
fürchten, im "Mythos RAF" könnten die Opfer leicht wieder als die
eigentlich Schuldigen missverstanden werden.
Zuviel der Ehrfurcht und zuviel der Missverständnisse. Es geht
auch einfacher: Eine wie immer ideologisch verblendete Minderheit war
mit den politischen und sozialen Verhält-nissen nicht einverstanden,
sah keine Chance, im demokratischen Wettbewerb von Mei-nungen und
Interessen sich durchzusetzen und war doch gleichwohl ganz über-
zeugt, nur und ausschließlich Recht zu haben. So wurde begonnen,
durch Gewalt erzwingen zu wol-len, was demokratisch nicht gelang. Das
war übrigens bei den tota-litären Ideologien im 20. Jahrhundert im
Prinzip nicht anders. Der RAF-Terrorismus hat es zum Glück nicht
soweit gebracht. Der freiheitliche Rechtsstaat erwies sich diesmal
als stärker. Dabei muss es blei-ben. Daran sollten wir erinnern, aber
nicht mit falscher Mystifizierung, sondern vor allem mit
vollständiger Aufklärung.
Inhaltliche Rückfragen richten Sie bitte an: Martin Gehlen,
Der Tagesspiegel, Ressort Politik, Telefon 030/26009-431
ots-Originaltext: Der Tagesspiegel

Rückfragen bitte an:

Der Tagesspiegel
Thomas Wurster
Chef vom Dienst
Telefon:030-260 09-419
Fax: 030-260 09-622
Email:thomas.wurster@tagesspiegel.de

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