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Deutsche Umwelthilfe e.V.

Mit dem Bauplanungsrecht gegen Kohlekraftwerke

Mainz (ots)

Kommunale Bauleitplanung kann als Instrument gegen
den Neubau von Kohlekraftwerken eingesetzt werden - Deutsche 
Umwelthilfe (DUH) und BI Kohlefreies Mainz (KoMa) stellen Gutachten 
des Hamburger Verwaltungsrechtlers Prof. Martin Wickel vor - 
DUH-Geschäftsführer Baake: "Neue Kohlekraftwerke stehen in 
unauflösbarem Widerspruch zu Klimazielen" - KoMa-Vorsitzender van den
Bruck: "Gutachten bestätigt Stadtratsbeschluss über Bebauungsplan"
Mainz, 25. Juli 2008: Städte und Gemeinden haben bessere 
Möglichkeiten, den Neubau von Kohlekraftwerken auf ihrem Gebiet zu 
verhindern, als bisher angenommen. Das geht aus einem Rechtsgutachten
hervor, das der Hamburger Verwaltungsrechtler Prof. Martin Wickel im 
Auftrag der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) erarbeitet hat. Die DUH
stellte das Gutachten am heutigen Freitag in Mainz gemeinsam mit 
Vertretern der Bürgerinitiative Kohlefreies Mainz (KoMa) vor. Die 
Ergebnisse des Gutachtens stärken die lokalen Bürgerinitiativen und 
kommunalen Entscheidungsträger, die sich gegen umwelt-, gesundheits- 
und klimaschädliche Kohlekraftwerke einsetzen.
Der Hebel, über den Kommunen Einfluss nehmen können, ist die so 
genannte Bauleitplanung, die sich in der Trägerschaft der Kommunen 
befindet. Bisher galten die Möglichkeiten von Städten und Gemeinden, 
von denen viele den Neubau so genannter "Klima-Killer-Kraftwerke" 
mehrheitlich ablehnen, zur Abwehr solcher Projekte als begrenzt, weil
Kohlekraftwerke nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) 
genehmigt werden. Diese Genehmigungen sind so genannte "gebundene 
Entscheidungen", das heißt sie stehen nicht im Ermessen der Behörden,
sondern müssen immer dann zwingend erteilt werden, wenn das 
beantragte Kraftwerksprojekt die Genehmigungsvoraussetzungen erfüllt.
Allerdings zählt zu den Genehmigungsvoraussetzungen nach dem BImSchG 
auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, die sich in erster Linie
nach den Regelungen im Baugesetzbuch (BauGB), insbesondere der so 
genannten Bauleitplanung, bestimmt. Mit der Aufstellung oder Änderung
eines Bebauungsplans können die Kommunen festlegen, was in bestimmten
Regionen ihres Stadtgebiets geht und was nicht. Grundsätzlich gilt 
dies auch für die Frage der Zulässigkeit neuer großer 
Kohlekraftwerke.
"Der Neubau von Kohlekraftwerken steht heute nicht nur in einem 
unauflösbarem Widerspruch zu den Klimaschutzzielen der 
Bundesregierung, er greift auch massiv in die Entscheidungsspielräume
von Städten und Gemeinden und die ihrer Bürger ein, wenn diese sich 
ambitionierte Umweltschutzziele setzen. Ein einziger großer 
Kohleblock macht mit seinen enormen Treibhausgas-Emissionen hundert 
andere Einzelmaßnahmen zum Klimaschutz zunichte und führt noch dazu 
zu einer höheren lokalen und regionalen Belastung mit klassischen 
Schadstoffen wie etwa Feinstaub", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer 
Rainer Baake. Um hier die Chancen der Betroffenen im Einzelnen zu 
klären, habe die DUH die Expertise bei Prof. Wickel von der HafenCity
Universität in Hamburg in Auftrag gegeben. "Wir sehen die Ergebnisse 
des Gutachtens als Mutmacher für all jene, die versuchen, auch solche
Projekte noch wirksam zu bekämpfen, deren Planung bereits begonnen 
hat", erklärte Baake. Grundsätzlich kann ein Bebauungsplan ein 
Kraftwerk auch dann noch verhindern, wenn das Genehmigungsverfahren 
schon läuft.
Die Bebauungspläne, die die Städte zum Schutz gegen den Neubau von
Kohlekraftwerken aufstellen, müssen städtebaulich begründet sein, 
wobei etwa die Erfordernisse des Natur-, Umwelt- und 
Gesundheitsschutzes eine Rolle spielen können. So können Stadtgebiete
festgelegt werden, in denen zum Schutz vor schädlichen 
Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG bestimmte Luft 
verunreinigende Stoffe nicht oder nur eingeschränkt verwendet werden 
dürfen. Dazu kann auch die Verbrennung von Kohle zur Energiegewinnung
zählen. Bereits vorbelastete Gebiete, solche, in denen ein 
Luftreinhalteplan gilt, oder etwa Naherholungsgebiete können 
besonders gegen zusätzliche Luftverunreinigungen geschützt werden, 
geplante Projekte müssen sich auch baulich in die Eigenart der 
Umgebung einfügen. Andererseits dürfte nach dem Ergebnis des 
Gutachtens der Klimaschutz allein als städtebauliche Begründung für 
den Ausschluss eines Kohlekraftwerks nicht ausreichen.
"Auch nach diesem Gutachten gilt: Jeder Einzelfall liegt anders 
und muss konkret bewertet werden", erläuterte Cornelia Nicklas, die 
Leiterin Recht der DUH. So müssten bei der Aufstellung des 
Bebauungsplans etwa bestehende Nutzungsrechte beachtet und gegen 
positive Zielvorstellungen, wie etwa den Umwelt- und 
Gesundheitsschutz im Planungsgebiet sorgfältig abgewogen werden.
Um zu verhindern, dass während der Aufstellung des Plans Fakten 
geschaffen werden, kann die Gemeinde unmittelbar nach dem Beschluss 
über die Aufstellung des Bebauungsplans eine so genannte 
Veränderungssperre beschließen, erläuterte Nicklas. Die 
Veränderungssperre ist zulässig, sofern andernfalls die ins Auge 
gefasste Planung für das Gebiet zum Beispiel durch Baumaßnahmen für 
ein Kohlekraftwerk gefährdet wäre.
Die Bürgerinitiative Kohlefreies Mainz (KoMa) sieht sich durch das
75-seitige Gutachten in ihrer Position bestärkt. "Wir verfügen nun 
über eine klare juristische Bestätigung des jüngst im Mainzer 
Stadtrat verabschiedeten Beschlusses zum Bebauungsplan am 
Industriestandort Ingelheimer Aue", sagte der BI-Vorsitzende Christof
van den Bruck "Die Stadträte haben im Interesse und zum Wohle der 
hier lebenden Menschen richtig entschieden". In Mainz liege die 
rechtliche Zulässigkeit sogar besonders klar auf der Hand, weil die 
Aufstellung eines Bebauungsplans wegen der sich ständig ändernden 
Bedingungen in und um den Industriestandort Ingelheimer Aue ohnehin 
"zwingend notwendig und längst überfällig" gewesen sei. Bisher habe 
inmitten des Mainzer Stadtgebiets "eine große bauplanerische Lücke" 
geklafft. Das geplante Kohlekraftwerk sei schon deshalb unzulässig, 
weil das Kesselhaus mit einer Höhe von ca. 110 Metern die umliegende 
Bebauung weit überrage. Es passe sich also in seiner Bauweise gerade 
nicht der Umgebung an, wie es das Baugesetzbuch verlange. "Das 
beantragte Kraftwerk der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG ist nach 
Paragraf 34 Baugesetzbuch schon jetzt nicht genehmigungsfähig", 
stellte van den Bruck fest.
Der BI-Vorsitzende erinnerte daran, dass der Bebauungsplan auch 
dazu dienen solle, "das Ausmaß der Luftverunreinigungen in Mainz im 
Sinne der hier lebenden und arbeitenden Menschen soweit als möglich 
zu begrenzen." Die Stadt sei 2007 nur knapp verpflichtenden Maßnahmen
zur Schadstoffminimierung entgangen und habe als Gegenmaßnahme 
bereits einen Luftreinhalteplan aufgestellt. Das Gutachten von Prof. 
Wickel weise ausdrücklich darauf hin, dass Städte berechtigt seien, 
mit Hilfe ihrer Bauleitplanung Umweltvorsorge für ihre Bürger zu 
betreiben. "Und was liegt da näher, als einen riesigen 
Einzelemittenten wie das geplante Kohlekraftwerk, der jährlich 
alleine ca. 400 t gefährlichen Feinstaubs und 4000 t Stickoxide 
ausstoßen würde, zu unterbinden? Das tut die Stadt Mainz nun zu Recht
und sorgt so für mehr Klimaschutz und sauberere Luft - ganz im 
Interesse der hier lebenden Menschen", schloss van den Bruck.
Das vollständige Gutachten kann unter http://www.duh.de/uploads/me
dia/Rechtsgutachten_Bauplanungsrecht_Wickel_250708.pdf herunter 
geladen werden.

Pressekontakt:

Rainer Baake
Bundesgeschäftsführer, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0151 550169-43,
baake@duh.de

Christof van den Bruck
Vorsitzender, BI Kohlefreies Mainz e.V. (KoMa), Obere Zahlbacher Str.
52, 55131 Mainz, Mobil: 0174 316895, presse@kohlefreies-mainz.de

Dr. Cornelia Nicklas
Leiterin Recht, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel.: 030 2400867-18, Mobil: 0162 6344657, nicklas@duh.de

Original-Content von: Deutsche Umwelthilfe e.V., übermittelt durch news aktuell

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