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Psychische Probleme nach der Profikarriere: Warum es eine bessere Prävention im Fußball braucht

Schlangenbad / Frankfurt (ots)

Das Karriereaus stürzt viele Profis im Fußball in eine Krise, einige werden sogar seelisch krank. Dabei könnte man die Spieler von Anfang an auf diese Lebensphase vorbereiten - mit einer adäquaten Beratung und psychologischer Betreuung.

Sie werden von den Fans bejubelt, verdienen Millionen und tun das, was sie lieben. Profifußballer führen ein besonderes Berufsleben - eines, mit einer relativ kurzen Laufzeit. Meist sind es Verletzungen, welche die Spieler zum frühzeitigen Karriereaus zwingen. Mit 35, maximal 40 Jahren ist bei den meisten aber ohnehin Schluss mit dem Fußball, für Topleistungen reicht es nicht mehr. Plötzlich stehen sie vor der Frage: Was nun?

Karriereende als kritische Phase

"Nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn fallen viele in ein Loch", sagt Dr. med. Tobias Freyer, Ärztlicher Direktor der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik in Frankfurt am Main. Als Profisportler seien sie es gewohnt, sich an einen stark strukturierten, sportlich zentrierten Terminplan zu halten. Der Übergang zu einem Leben ohne die ständige Unterstützung durch Trainerstab, Mannschaftskollegen oder Vereinsmitarbeitende falle vielen Ex-Profis schwer. Hinzu komme der Verlust des Sportes an sich, so der Mediziner. Das sei, alles zusammengenommen, eine große Herausforderung für die Psyche.

Nicht selten kommt es nach dem Ende der Profizeit daher auch zu seelischen Problemen bei den Fußballern. "Das Karriereende stellt ein sogenanntes Live Event dar, also ein wichtiges, häufig einschneidendes Ereignis, vergleichbar etwa mit dem Auszug aus dem Elternhaus, der Geburt oder dem Tod eines geliebten Menschen. Ein solches Belastungsereignis kann zum Auslöser für eine psychische Störung werden", erklärt Dr. Freyer. Depressionen, Suchtkrankheiten oder Angststörungen seien in der Folge typische Erkrankungen.

Nicht alle Fußballer sind gleich gefährdet

Ob ein Ex-Profi allerdings erkrankt, wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Zum Beispiel durch den Grad der inneren Abhängigkeit vom Sport. Werden Anerkennung und Bewunderung von Kindesbeinen an ausschließlich durch sportliche Leistungen erzielt, ist auch das Selbstwertgefühl eng mit diesen Erfolgen verknüpft. Der Psychiater sieht darin eine potenzielle Gefahr: "Wer keine alternativen Mechanismen entwickelt, um sich emotional zu stabilisieren, steht nach dem Wegfall des Sports ohne stärkendes Werkzeug da." Gleiches gilt laut Dr. Freyer auch für das soziale Umfeld der Kicker. Stabile Familienstrukturen und ein Freundeskreis fernab vom Fußball seien wichtig für einen gesunden Start in den neuen Lebensabschnitt.

Gleichzeitig kann sich auch die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Sport auf die mentale Verfassung der Ex-Fußballer auswirken. Weil ein Großteil der Spieler, anders als Frauen im Profifußball, keine zusätzliche Berufsausbildung hat, müssen sie für die Zukunft gut vorsorgen. "Leider haben viele nicht gelernt, mit Geld umzugehen. Wie auch? Sie sind so jung in den Fußball mit seinen wahnwitzigen Finanzstrukturen gestartet, sie kennen nichts anderes", kritisiert Dr. Freyer. Wer finanzielle Sorgen und keine berufliche Perspektive habe, stehe schnell unter einem enormen psychischen Druck.

Berater in der Pflicht

Umso wichtiger ist es, die Spieler auf das Leben nach dem "Ausnahmezustand Profifußball" vorzubereiten. Und da sieht Dr. Freyer, der als Sportpsychiater den Drittligisten SV Wehen Wiesbaden berät, auch die Spielerberater in der Pflicht: "Viele beraten ihre Profis nur mit Blick auf deren aktive Zeit. Sie zielen vor allem auf den sportlichen Erfolg und damit auch auf den größten wirtschaftlichen Nutzen ab. Was nach dem Ende der Laufbahn mit ihren Schützlingen passiert, interessiert die wenigsten." Dabei sollte die Beratung zum Karriereende schon mit oder sogar vor der Unterschrift auf dem ersten Profivertrag beginnen, so der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Hierzu gehörten zum Beispiel auch Themen wie Altersvorsorge, alternative Berufswege und der Aufbau eines sozialen Umfelds außerhalb des Sports.

Bessere psychologische Betreuung

Als Gründungsmitglied des Fachreferats für Sportpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) setzt sich Dr. Freyer außerdem dafür ein, dass Profi-Fußballer eine adäquate psychologische und psychiatrische Betreuung erhalten.

Und zwar nicht primär und ausschließlich, um deren sportliche Leistung zu verbessern, sondern vor allem, um die seelische Gesundheit während der Karriere und darüber hinaus zu erhalten und zu fördern.

Innere Freiheit für sicheren Ausstieg aus der Sportkarriere

Das betreffe auch Frauen im Spitzenfußball und Profis aus anderen Sportarten, betont Dr. Freyer. Der Wechsel in ein Leben ohne tägliches Training und Wettkämpfe sei für die meisten eine große Aufgabe. Deshalb sollten sich Akteure im Leistungssport frühzeitig gedanklich und emotional mit dem Ende der aktiven Zeit beschäftigen, zumal das Risiko eines verletzungsbedingten Aus jederzeit mitschwinge. Neben einer zukunftsorientierten Berufsplanung rät der Psychiater allen Sportprofis, sich bewusst Ziele außerhalb des Sports zu setzen und eine eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Denn: "Je größer die persönliche innere Freiheit der Athletinnen und Athleten ist, desto ungefährlicher ist das Karriereende. Das gilt im Fußball wie in allen anderen Sportarten", so sein Fazit.

Über den Experten

Dr. med. Tobias Freyer ist Ärztlicher Direktor der Oberberg Parkklinik Wiesbaden Schlangenbad und der Oberberg Tagesklinik Frankfurt am Main. Er ist spezialisiert auf die Behandlung psychisch kranker Leistungssportler und hat das Referat für Sportpsychiatrie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) mitbegründet, das 2010 im Zusammenhang mit dem Suizid von Torwart Robert Enke initiiert wurde. Zudem ist Dr. Freyer Gründungs- und Vorstandsmitglied der 2019 etablierten Deutschen Gesellschaft für Sportpsychiatrie und -psychotherapie e.V. (DGSPP). Als Sportpsychiater berät Dr. Freyer die Profifußballer des SV Wehen Wiesbaden. Mehr unter https://www.oberbergkliniken.de/unser-team/dr-med-tobias-freyer

Über die Oberberg Gruppe

Die Oberberg Gruppe mit Hauptsitz in Berlin ist eine vor mehr als 30 Jahren gegründete Klinikgruppe mit einer Vielzahl an Fach- und Tageskliniken im Bereich Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an verschiedenen Standorten Deutschlands. In den Kliniken der Oberberg Gruppe werden Erwachsene, Jugendliche und Kinder in individuellen, intensiven und innovativen Therapiesettings behandelt. Darüber hinaus existiert ein deutschlandweites Netzwerk aus Oberberg City Centers, korrespondierenden Therapeuten und Selbsthilfegruppen. Mehr unter www.oberbergkliniken.de

Pressekontakt:

Oberberg Kliniken (oberberg@hoschke.de)

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