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Die Macht der Kleinen: Keine Quelle für angebliches Schiller-Zitat

Berlin (ots)

Friedrich Schiller zählt zu Deutschlands größten Dramatikern und Lyrikern. Kraftvolle Worte des Freiheitsdichters finden auch im digitalen Zeitalter Verbreitung. Das Zitat «Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen» wird Schiller zugeschrieben. Einige Nutzer in den sozialen Netzwerken verstehen die Worte als eine Art Vermächtnis Schillers, gegen die bestehenden Verhältnisse aufzubegehren. (http://dpaq.de/gtNC0)

BEWERTUNG: Das Schiller (1759-1805) zugeschriebene Zitat von den Großen und Kleinen wird im Netz ohne Quellenangabe verbreitet. Experten des Deutschen Literaturarchivs haben diese Worte im Gesamtwerk des deutschen Dramatikers auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur nicht gefunden. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Schiller diese Worte in seinen Werken, Briefen oder Reden verwendet haben könnte.

FAKTEN: In sozialen Netzwerken wie Facebook oder Instagram wird das Zitat «Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen» als Sharepic verbreitet. Darauf ist meist das Zitat, der Name «Friedrich Schiller» sowie ein Porträt des Dichters zu sehen. An anderer Stelle findet sich neben dem Namen Schillers ein Porträt von Johann Wolfgang von Goethe (http://dpaq.de/ykFdP). In einigen Versionen ist die Zahl 1803 hinzugefügt.

In den Kommentaren schreiben Nutzer, diese Worte Schillers gälten bis heute. Eine Frau stellt dort die Behauptung auf, in ein paar Jahren werde in Deutschland niemand mehr wissen, wer Friedrich Schiller sei. «Dafür wird gesorgt», schreibt sie weiter.

Friedrich Schiller zählt zu den prominentesten Autoren der deutschen Literaturgeschichte. Über seine Werke und Äußerungen wurden in den vergangenen Jahrhunderten unzählige Aufsätze und Bücher geschrieben. Einige seiner Sprüche sind seit Generationen Teil des allgemeinen Sprachgebrauchs. Dazu zählen «Früh übt sich, was ein Meister werden will» (Wilhelm Tell; http://dpaq.de/PACpC) oder «Drum prüfe, wer sich ewig bindet» (Das Lied von der Glocke; http://dpaq.de/JQtfX).

Diese Sätze sind Schiller eindeutig zuzuordnen. Das angebliche Schiller-Zitat von den Großen und Kleinen lässt sich hingegen nicht finden. Das Deutsche Literaturarchiv in Schillers Geburtsstadt Marbach hat auf Anfrage der dpa die elektronische Fassung der National-Ausgabe der Werke Schillers samt Briefen vergeblich danach durchsucht.

Nach Einschätzung eines Archivmitarbeiters passe die Formulierung auch nicht recht zu Schillers Sprachgebrauch. Es sei nicht das erste Mal, dass man in den sozialen Netzwerken auf vermeintliche Zitate von Geistesgrößen stoße, die sich als falsch erwiesen.

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Links:

Angebliches Schiller-Zitat von Großen und Kleinen auf Facebook: https://www.facebook.com/1453269494929762/photos/a.1453293968260648/2260794137510623/?type=3&theater (archiviert: http://dpaq.de/PCeXK)

Angebliches Schiller-Zitat mit Goethe-Porträt (archiviert): https://web.archive.org/web/20191008134221/https://virustemizlemeprogrami.net/zitate/die-grosen-horen-auf-zu-herrschen-wenn-die-kleinen-aufhoren-zu-kriechen-zitat-von/

Deutsches Literaturarchiv: https://www.dla-marbach.de/archiv/friedrich-schiller/

Schiller-Zitat «Früh übt sich, was ein Meister werden will», in: Sämtliche Werke. Vollständige Ausgabe in einem Bande, 1830: http://dpaq.de/PACpC

Schiller-Zitat «Drum prüfe, wer sich ewig bindet», in: Lexikon deutscher Zitate, von Alfred Hermann Fried: http://dpaq.de/JQtfX

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Kontakt zum dpa-Faktencheckteam: faktencheck@dpa.com

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