Alle Storys
Folgen
Keine Story von Schwäbische Zeitung mehr verpassen.

Schwäbische Zeitung

Schwäbische Zeitung: Leitartikel zur Türkei - Europa war nicht ehrlich

Ravensburg (ots)

Wer hat denn eigentlich jemals gemeint, dass die Türkei zu Europa gehört? Es ist noch nicht so lange her, da fanden sich viele in westlichen Regierungen und bei der EU, die es als konsequent angesehen hätten, wäre das große Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern Teil der EU geworden. Auch damals war Recep Tayyip Erdogan an der Macht. Jetzt, wo Europa mit sich selbst ringt, stellt sich die Frage, wie man es Herrn Erdogan sagt, dass das nichts wird, ohne ihn zu sehr zu erzürnen. Die Sorge, dass Erdogan all jene Flüchtlinge nach Europa lässt, die er bisher dank europäischen Geldes daran gehindert hat, bestimmt alle diplomatischen Bemühungen.

Historisch betrachtet ist Erdogan aber nur ein Teil des Problems. Das andere Problem ist ein Europa, das nie ehrlich mit der Türkei war. Man hat so getan, als könne man sich durchaus vorstellen, dass dieses Land nach vielen Militärputschen und einem mühsamen Weg zur Demokratie irgendwann vielleicht doch dazu gehöre. Aber trotz aller Gewaltenteilung in der Türkei, und obwohl das Land zum Musterknaben der internationalen Geldgeber wurde, war immer klar, dass eine Rückkehr in die Diktatur möglich war.

Wenn Zehntausende Staatsbedienstete in der Türkei entlassen werden, wenn Dutzende Journalisten und Parlamentarier in Haft sitzen, wenn der Oberbefehlshaber kurdische Ortschaften niedermachen lässt, können wir in Europa nicht im Ernst daran glauben, dass verhandelt werden kann. Eine nach den Vorstellungen eines Diktators umgebaute Türkei gehört schon gar nicht nach Europa. Während alle Diskussionen um die Frage gehen, was passiert, wenn Erdogan die Flüchtlingsboote wieder über die Ägäis kommen lässt, verspielt Europa obendrein sein Ansehen und seine Selbstachtung.

Es ist gut, dass verfolgten Politikern und Journalisten aus der Türkei in Europa Asyl gewährt wird. Aber man kann nicht gleichzeitig mit jenem Mann verhandeln, der diese Politiker und Journalisten verfolgt und allgemein gültige Werte mit Füßen tritt.

Pressekontakt:

Schwäbische Zeitung
Redaktion
Telefon: 0751/2955 1500
redaktion@schwaebische-zeitung.de

Original-Content von: Schwäbische Zeitung, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Schwäbische Zeitung
Weitere Storys: Schwäbische Zeitung
  • 17.11.2016 – 21:41

    Schwäbische Zeitung: Bloß keine Verklärung - Leitartikel zu Obama

    Ravensburg (ots) - Am Freitag reist Barack Obama aus Berlin ab - und viele in Europa blicken dem scheidenden US-Präsidenten geradezu sentimental hinterher. Die Gründe sind schnell erklärt: Der Mann ist ein leidenschaftlicher Politiker, ein charismatischer Typ, dazu ein Charmeur und brillanter Redner. Das hat er am Donnerstag bei seinem emotionalen Auftritt mit Kanzlerin Angela Merkel erneut bewiesen. Aber Obama wollte ...

  • 17.11.2016 – 20:46

    Schwäbische Zeitung: AfD: Betrug am Wähler - Kommentar zum Parteitag der AfD

    Ravensburg (ots) - In der AfD in Baden-Württemberg gewinnen Kräfte die Oberhand, die Veränderungen nicht innerhalb des demokratischen Systems wollen. Sie lehnen die Grundlagen des Systems ab. Der Rest des Personals ist entweder zu unprofessionell oder zu schwach, um sich durchzusetzen. Das Problem der Partei sind weniger die nach AfD-Aussage "abstrusen" Kandidaten. ...

  • 16.11.2016 – 22:08

    Schwäbische Zeitung: Härter durchgreifen bei Facebook & Co. - Leitartikel zu Hasskommentaren

    Ravensburg (ots) - Volksverhetzung, Beleidigung, Verleumdung sind in Deutschland Straftatbestände. Vor deutschen Gerichten gibt es dafür empfindliche Geldbußen. Auch Haftstrafen sind möglich. Aber gibt es ein digitales Paradies der Meinungsfreiheit, in dem hemmungslos gepöbelt, beleidigt und gehetzt werden darf? "Nein", sagen endlich auch die Justizminister der ...