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Mittelbayerische Zeitung: "Endlich Streit" - ein Kommentar der Mittelbayerischen Zeitung zum Streit über die Verteidigungsausgaben

Regensburg (ots)

Wochenlang plätscherte der Wahlkampf in Deutschland wie ein träger Fluss im Delta dahin. Doch plötzlich kommt Feuer auf. Und das liegt weniger am gebeutelten SPD-Herausforderer Martin Schulz, der ein Papier ums andere vorlegt, sondern vielmehr an Angela Merkel. Die Kanzlerin bezieht plötzlich Positionen, wo sie lange wolkig geblieben ist. Mehr Geld für den Wehretat - aber klar doch, sagt Merkel nun und schielt dabei in Richtung Washington. Dabei werde allerdings nichts vom Sozialen und von Bildung weggenommen, verspricht sie. Merkel versucht den Spagat zwischen Trump-Beruhigung und Wähler-Besänftigung. Für Schulz hingegen ist die Ansage der Kanzlerin ein gefundenes Fressen. Die Teflon-Regierungschefin, die in Umfragen weit vor dem Herausforderer liegt, bietet endlich Angriffsflächen. Nicht nur beim Streitpunkt Verteidigungsausgaben, sondern auch beim Diesel-Skandal, bei der Flüchtlings- und Integrationspolitik, in der Steuer- und Familienpolitik. Merkel und Schulz machen jeweils politische Alternativen sichtbar. Das ist gut für die Demokratie und könnte die oberflächliche Es-sind-doch-eh-alle-gleich-Mentalität aufbrechen. Es gibt am 24. September nicht nur die Wahl zwischen Raute und Bart, sondern es gibt zum Teil gravierende politische Unterschiede zwischen Merkel und Schulz. Auch wenn die im Schatten der jetzigen GroKo nicht immer so deutlich wahrnehmbar geworden sind. Für Merkel ist die Anlehnung an den Nato-Gipfel von Wales aus dem Jahr 2014 nicht ohne Risiko. Seinerzeit vereinbarten die Bündnispartner, die Verteidigungsausgaben sollten sich bis 2024 "auf den Richtwert von zwei Prozent (des Bruttoinlandsprodukts) zubewegen". Nur die USA selbst, Großbritannien, Estland, Polen und Griechenland geben bislang so viel Geld aus, wie es dieser Richtwert verlangt. Für die Bundesrepublik hieße das, den Wehretat von etwa 37 Milliarden binnen sechs Jahren auf 60 oder sogar 70 Milliarden Euro anzuheben. Doch das wäre nicht nur ein enormer haushaltspolitischer Kraftakt, sondern auch eine Riesenaufgabe für das lahmende Beschaffungswesen der deutschen Armee. Vize-Kanzler Gabriel spottete nicht zu Unrecht, man wisse dann gar nicht, wohin mit den vielen deutschen Flugzeugträgern, Panzern und Raketen. Im Klartext heißt das wohl: Das Zwei-Prozent-Ziel ist auch in der nächsten Wahlperiode weder politisch noch fiskalisch durchsetzbar. Die Kanzlerin und ihre Union stehen mit dieser Forderung allein. Eine vernünftige Ausrüstung von Heer, Marine und Luftwaffe dagegen ist unbedingt notwendig. Und auch machbar, abseits des Fetischs von Zwei Prozent. Nur leider hat Ministerin Ursula von der Leyen zwar vieles versprochen, aber nur wenig gehalten. Sie hat eigens eine flotte, junge Staatssekretärin mit dem Aufräumen im Beschaffungs-Unwesen beauftragt. Doch die Ergebnisse sind dürftig. Die CDU-Ministerin legte sich nicht so sehr mit der viele Jahre verhätschelten Wehrindustrie an, sondern vielmehr mit den Soldaten, etwa mit ihrem unausgegorenen Traditions-Erlass. Kein Verteidigungsminister dürfte nach gerade mal vier Jahren Amtszeit bei der Truppe so unbeliebt gewesen sein wie die derzeitige Inhaberin der Kommandogewalt. Aus dem Kreis möglicher Nachfolger(innen) von Angela Merkel im Kanzleramt dürfte sich Ursula von der Leyen damit erst einmal hinauskatapultiert haben. Der Dauer-Kanzlerin Merkel ist das nicht unrecht. Sie kriegt wahrscheinlich nicht nur Martin Schulz klein. Die Union hat sie bereits auf Taschenformat geschrumpft. Weder wird Merkel infrage gestellt, noch werden drängende Zukunftsfragen kontrovers diskutiert. In der späten Zeit von Helmut Kohl war das ebenso.

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