taz-Kommentar von Ulrike Herrmann zu den Corona-Beihilfen
Berlin (ots)
Das "Prinzip Gießkanne" ist besser als sein Ruf
Da kann Neid aufkommen: Die staatlichen Coronahilfen fallen im November und Dezember so großzügig aus, dass manche Gastwirte oder Konzertveranstalter im Lockdown mehr Geld erhalten dürften, als sie im Normalbetrieb verdienen würden. Geld fürs Nichtstun - das hätte jeder gern.
Es geht um stattliche Summen: Wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ausgerechnet hat, gibt der deutsche Staat etwa 10 Milliarden Euro mehr aus, als eigentlich nötig gewesen wären. 30 Milliarden Euro sind jetzt eingeplant, um die Lockdown-Opfer zu entschädigen - 20 Milliarden hätten wahrscheinlich auch gereicht.
Die IW-Forscher argumentieren mit denkbaren Einzelfällen: So gibt es beispielsweise viele Kneipen, die mit Aushilfen arbeiten. Im Lockdown müssen diese Kräfte natürlich nicht bezahlt werden. Die Betriebe sparen also bei den Kosten, bekommen aber trotzdem 75 Prozent ihres Umsatzes aus dem Vorjahresmonat erstattet. Zurück bleibt ein zusätzlicher Gewinn, der auf Staatskosten erzielt wird.
Die IW-Forscher wenden somit das Prinzip der "Einzelfallgerechtigkeit" an, das bei den Deutschen generell hoch im Kurs steht - ganz egal, worum es gerade geht. Die Idee ist: Jeder soll stets punktgenau das bekommen, was ihm oder ihr zusteht. Dieses Prinzip erklärt auch, warum etwa die Einkommensteuererklärung hierzulande so kompliziert ist: Statt einfach großflächig Pauschbeträge vorzuschreiben, wird in Deutschland jede Handwerkerrechnung einzeln abgesetzt. In vielen anderen Ländern wäre das undenkbar.
Der deutsche Hang zur Einzelfallgerechtigkeit ist bereits im Normalbetrieb ziemlich aufwendig - in der Coronapandemie ist er schlicht nicht mehr durchzuhalten. Wenn erst haarklein berechnet würde, welcher Betrieb welche Kosten im Lockdown hat, würde es Monate dauern, um die Coronahilfen auszuzahlen. Bis dahin wären nicht wenige Firmen schon pleite.
Es ist also richtig, dass die Bundesregierung umgeschwenkt ist und neuerdings auf das "Prinzip Gießkanne" setzt. Die Anträge lassen sich viel schneller bearbeiten, wenn nur nachzuweisen ist, wie viel Umsatz vor einem Jahr beim Finanzamt angegeben wurde.
Zudem trifft die warme Gelddusche genau die Richtigen: Die Betriebe, die jetzt im Lockdown sind, waren auch schon im Frühjahr geschlossen - damals aber war die Hilfe vom Staat kümmerlich und wurde meist nur als Notkredit gewährt. Was damals zu wenig gezahlt wurde, wird nun obendraufgelegt. Das ist gerecht und effizient. Neid ist nicht angebracht.
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