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Glyphosat-Studien aus unter Betrugsverdacht stehendem Tierversuchslabor

Berlin (ots)

Mehrere Tierversuchsstudien für die Zulassung des Pestizids Glyphosat stammen von einem Laborbetreiber, der offenbar Ergebnisse von Experimenten gefälscht hat. Das staatliche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nennt in seinem letzten Gutachten über das Unkrautvernichtungsmittel für die EU bei 14 Untersuchungen die Hamburger Firma "LPT" (Laboratory of Pharmacology and Toxicology) als Quelle, wie die Tageszeitung "taz" (Mittwochausgabe) berichtet. Hinzu kommen mindestens 7 Studien, die sich anhand der Nummernkennung und des Autors wahrscheinlich dem LPT zuordnen lassen. Alle 21 Untersuchungen wurden von dem Hamburger Chemiehändler Helm AG beauftragt, der zu den Antragstellern für die Zulassung von Glyphosat gehörte. Das BfR-Gutachten war die wichtigste Vorarbeit für die EU-Behörden, die Glyphosat 2017 für weitere 5 Jahre zugelassen haben.

Der Fall könnte die Glaubwürdigkeit des amtlichen Pestizid-Zulassungssystems weiter erschüttern. Denn das BfR vertraute den LPT-Studien stärker als von der Industrie unabhängigen Untersuchungen, weil die zuständige Landesbehörde in Hamburg das Labor nach den "Grundsätzen der Guten Laborpraxis" zertifiziert hatte. Die Richtlinien schreiben den Laboren zum Beispiel interne Kontrolleure vor, die überprüfen sollen, ob Ergebnisse gefälscht werden. "Dieses System hat hier auf jeden Fall versagt", sagte Toxikologe Peter Clausing, Vorstandsmitglied der Umweltorganisation Pestizid-Aktionsnetzwerk Deutschland, der taz.

Möglicherweise beeinflusst der Fall LPT auch das gerade laufende EU-Verfahren zur Verlängerung der Erlaubnis für den Wirkstoff Glyphosat, den die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hat. Glyphosat wird unter anderem von Monsanto - der der US-Tochter des Chemiekonzerns Bayer - produziert und ist das meistverkaufte Ackergift weltweit.

In der ARD-Fernsehsendung "Fakt" hatten im Oktober und November mehrere ehemalige LPT-Mitarbeiter bestätigt, dass die Firma Versuche mit Medikamenten manipuliert habe.

"Der LPT-Skandal hat deutlich gemacht, dass die Integrität des GLP-Systems nicht gewährleistet ist und die vermeintliche 'Fälschungssicherheit' von GLP-Studien daher trügerisch ist", sagte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker des österreichischen Umweltverbands Global 2000, der taz. Weil die Manipulationen so eklatant und jahrzehntelang nicht aufgefallen seien, liege der Verdacht nahe, dass auch in anderen Labors gefälscht werde. "Da die Behörden sich sehr stark auf GLP-Studien verlassen, ist keine Pestizidzulassung mehr sicher", so Burtscher.

Der Grüne Bundestagsabgeordnete und Pestizidexperte Harald Ebner erklärte, der Fall "stellt den ganzen GLP-Standard in Frage". Die Risikobewertung von Glyphosat müsse "neu aufgerollt werden", so der Politiker.

In Hamburg ist die dortige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz nach eigenen Angaben für die GLP-Prüfungen zuständig. "Aktuell ist die GLP-Bescheinigung für LPT aus dem Jahre 2017 gültig", teilte das Amt der taz mit. Nachdem dem Labor vorgeworfen worden war, Versuchstiere ausgetauscht zu haben, "wurde zusätzlich eine Nachinspektion im Dezember 2019 durchgeführt". Doch dabei habe man "keine grundsätzlichen Verstöße" gegen die GLP-Regeln festgestellt. Auf die Frage der taz, ob das Amt in dem Fall versagt habe, antwortete es: "Nein, die im gesetzlichen Rahmen vorgeschriebenen Prüfungen wurden durch die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz regelmäßig durchgeführt" - und zwar seit 1991 "mindestens alle 3 Jahre".

Die taz fragte das LPT, ob es auch die Glyphosat-Studien gefälscht habe. Das Unternehmen antwortete, "dass wir alle gesetzlichen Vorschriften insbesondere im Zusammenhang mit dem Tierwohl einhalten."

Das BfR, die Bayer AG und der Hamburger Chemiehändler Helm AG, der in Frage stehende LPT-Studien in Auftrag gegeben hatte, ließen eine Bitte der taz um Stellungnahme bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Das grundlegende Problem ist für Umweltschützer Clausing, dass die Pestizidhersteller die Studien für die Zulassung selbst in Auftrag geben und selbst die Labore aussuchen. Dadurch könnten die Labore unter Druck geraten, Gefälligkeitsgutachten zu erstellen, um weitere Aufträge von den Herstellern zu bekommen. "Deshalb müssen die Studien künftig über einen industrieunabhängig verwalteten Fonds finanziert werden, der sich aus Gebühren der antragstellenden Firmen speist", so Clausing.

jma/ksc

Bitte verlinken, Sie - falls möglich - den Originalartikel bei taz.de:

https://taz.de/Zweifelhafte-Glyphosat-Gutachten/!5661084/

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