Die EZB-Zinskontrolle, Marktkommentar von Kai Johannsen
Frankfurt (ots)
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat auf ihrer Ratssitzung am Donnerstag in Sachen Krisenbekämpfung ordentlich nachgelegt. Die Anleihekäufe im Rahmen des Pandemic Emergency Purchase Programme PEPP) wurden um 500 Mrd. Euro auf 1,85 Bill. Euro ausgeweitet. Die Käufe sollen bis mindestens März 2022 fortgesetzt werden, nachdem bislang Mitte 2021 vorgesehen war. Mancher Marktteilnehmer reagierte zunächst enttäuscht, denn mitunter wurde noch mehr erwartet. EZB-Chefin Christine Lagarde erklärte zwar, dass das Programm nicht vollends ausgeschöpft werden müsste. Aber im Fall der Fälle könnte es eben auch aufgestockt werden. Das erhält im Markt die Spekulationen am Leben, dass womöglich nachgelegt wird.
Was es aber in sich hatte, waren die Verlautbarungen von Lagarde, und diese werden für die Märkte weitreichend sein. "Lagardes mehrfache Betonung, dass das Hauptziel der EZB darin besteht, 'günstige Finanzierungsbedingungen zu erhalten', wobei man 'flexibel gemäß den Marktbedingungen kaufen wird', kommt einer expliziten Zinskurvenkontrolle sehr nahe, welche die EZB gemäß EU-Vertrag nicht ausüben dürfte", sagt Christoph Rieger, der bei der Commerzbank das Zins- und Credit Research leitet. Aus dem PEPP wird PFFC (preserve favourable financing conditions).
EZB absorbiert alles
Was die tatsächlichen Zahlen betreffe, würde die durchschnittliche monatliche Kaufrate für PEPP und APP (Asset Purchase Programme) zusammen bis März 2022 bei 92 Mrd. Euro liegen. Das entspreche dem Tempo, mit dem die EZB seit August unterwegs sei. "Es würde auch immer noch ausreichen, um in etwa das gesamte Nettoangebot an Staatsanleihen der Eurozone zu absorbieren, das wir für nächstes Jahr erwarten", so Rieger. Und das ist schließlich ein nicht ganz unerhebliches Volumen, wenn man bedenkt, dass die Staaten im Kampf gegen die Pandemie und die wirtschaftlichen Beeinträchtigungen enorme Kraftanstrengungen in Sachen Refinanzierungen zu bewältigen haben.
Die EZB werde nicht müde zu betonen, dass die Zinsen weiter gesenkt werden könnten. Lagarde unterstrich explizit die Forward Guidance, wonach die EZB die Zinsen 'auf ihrem derzeitigen oder niedrigeren Niveau' sieht. Da Zinssenkungen zumindest in den nächsten drei Jahren wahrscheinlicher seien als Zinserhöhungen, sollte das vordere Ende der Zinskurve gut verankert und die Kurve über diesen Zeitraum invertiert bleiben. "Die EZB macht mit ihrer Renditekurvenkontrolle Ernst, und selbst die etwas niedrigeren monatlichen Käufe bedeuten, dass sie wohl das gesamte Nettoangebot an Staatsanleihen der Eurozone im nächsten Jahr absorbieren wird", so Rieger.
Und was heißt das für die Märkte? Für den Staatsanleihenmarkt der Eurozone sind die Aussichten sonnenklar. Renditeanstiege sollte man für die Zeit des PEPP besser nicht erwarten. Denn es ist ja gerade das erklärte Ziel, die Zinsen im Kampf gegen die Wirtschaftsmisere niedrig zu halten und damit die Finanzierungsbedingungen für Institutionen. Das bedeutet, dass Staaten weiter zu niedrigen Zinsen Kredit aufnehmen können. In vielen Ländern wird die Renditestrukturkurve über weite Laufzeitenbereiche im Minus liegen. Bei den meisten Ländern ist das schon im Laufzeitenband von zwei bis zehn Jahren der Fall. Jüngst gesellte sich zu diesem Kreis auch noch Portugal dazu. Am Freitag wurde Spaniens Zehnjahressatz erstmals negativ. Die Jagd der Anleger nach Rendite wird weitergehen. Das Crowding-out der Investoren ebenfalls, was die Anleger in noch längere Laufzeiten drängt oder in schlechtere Bonitäten mit dem Ergebnis, dass auch in diesen Segmenten (Laufzeiten und Ratings) die Bondrenditen weiter nach unten gehen, Ein Prozess, der nun schon Jahre zu beobachten ist.
Und was bedeutet es für Europas Aktien? Der Zentralbanken-Put ist nochmals größer geworden, und das wurde er auch schon in den vergangenen Jahren. Im Ergebnis legten die Aktien aufgrund dieser von den Zentralbanken initiierten Liquiditätsflut deutlich zu. Man sollte sich darauf einstellen, dass die Performance der Aktien somit auch 2021 recht gut sein wird. Der EZB sei Dank. Es bleibt aber ein Unsicherheitsfaktor, und dieser heißt Defaults. Insolvenzanmeldungen werden vielerorts vor sich hergeschoben. Doch das kann nicht ewig so weitergehen, irgendwann muss ein Unternehmen erklären, ob es nun überleben kann oder nicht. Und dann wird sich zeigen, welches Ausmaß die wirtschaftliche Katastrophe annimmt. Da wird noch der eine oder andere vom Kurszettel verschwinden und sicher nicht mit enormen Kursgewinnen.
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