CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Laumann/Singhammer: Forderungen zur
EU-Sozialpolitik
Berlin (ots)
Anlässlich eines Besuchs von Sozial- und Wirtschaftspolitikern der Fraktion bei den Institutionen der Europäischen Union und den europäischen Sozialpartnern am 2. Juli 2001 in Brüssel erklären der sozialpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Karl-Josef Laumann MdB, und der sozialpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Johannes Singhammer MdB:
EU-Osterweiterung wird begrüßt Die Osterweiterung der Europäischen Union wird von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit Nachdruck begrüßt. Sie ist eine politische, wirtschaftliche und historische Herausforderung, die die Chance eröffnet, den Kontinent zu vereinen und den Frieden in Europa zu sichern. Die Osterweiterung muss für die beteiligten Volkswirtschaften und Staaten verkraftbar sein und vor allem auch von den betroffenen Bürgern angenommen werden.
Flexible Ausgestaltung der Arbeitnehmerfreizügigkeit Von der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Dienstleistungsfreiheit im Verhältnis zu den Staaten Mittel- und Osteuropas sind die Bürger unmittelbar betroffen. Nahezu nirgendwo auf der Welt prallen so starke Lohngefälle, unterschiedliche Arbeitsbedingungen und Preisniveaus für Dienstleistungen aufeinander. Entsprechend groß kann der Migrationsdruck auf Arbeitsplätze und Dienstleistungen, insbesondere für die direkten Nachbarn der Beitrittsländer, wie die Bundesrepublik Deutschland.
Unsere Forderung: Die nunmehr von der EU-Kommission vorgeschlagene, (maximal) siebenjährige Übergangsfrist für die Beschäftigung von Arbeitnehmern aus den Beitrittsländern geht in die richtige Richtung. Die Ausgestaltung der Übergangsregelungen sollte - wie vorgesehen - flexibel sein. Dabei bedarf die Pendlerproblematik in grenznahen Regionen besonderer Berücksichtigung. Nationale Spielräume für eine flexible und an regionalen Bedürfnissen angepasste Ausgestaltung der Übergangsregelungen müssen gewährleistet bleiben. Zu begrüßen ist die Möglichkeit einer nachträglichen Verkürzung der Übergangsfrist nach vorher festgelegten, transparenten Kriterien entsprechend der Situation in den einzelnen Beitrittsländern. Dies muss gewährleistet bleiben.
Synchronisierung von Arbeitnehmerfreizügigkeit und Dienstleistungs-freiheit Die Übergangsfrist zur Freizügigkeit für Arbeitnehmer wird ins Leere laufen, wenn für die Dienstleistungsfreiheit keine oder andere Übergangsfristen vereinbart würden. Eine sofortige Dienstleistungsfreiheit würde Unternehmen und Betrieben aus den Beitrittsländern erlauben, unverzüglich Dienstleistungen in allen EU-Mitgliedstaaten zu erbringen. Die negativen Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte der Mitgliedstaaten, insbesondere in den Grenzregionen wären verheerend. Der Verdrängungseffekt auf den Arbeitsmärkten der EU-Mitgliedsländer würde die Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit nutzlos machen.
Unsere Forderung: Daher sind die u.a. für Deutschland vorgesehenen Übergangsregelungen zur Einführung der Dienstleistungsfreiheit zu begrüßen. Nach dem jetzigen Verhandlungsstand sind die Übergangsregelungen aber beschränkt auf den Baubereich und Teilbereiche des Handwerks. Die Bundesregierung wird aufgefordert, zu erreichen, dass Übergangsregelungen müssen auf weitere Wirtschaftsbereiche ausgedehnt werden.
Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedstaaten im arbeits-, sozial- und gesundheitspolitischen Bereich Die Zuständigkeiten der Europäischen Union wurden durch jede Regierungskonferenz erweitert. Europäische Vorgaben wirken immer stärker auf die Gestaltungsspielräume der Legislative und Exekutive der Mitgliedstaaten, ihrer Länder und Kommunen ein. Daher muss eine klare Abgrenzung der Kompetenzen der Union von denen der Mitgliedstaaten erfolgen. Nach den Verträgen darf die EU nur dann tätig werden, wenn sie durch spezielle Vorschriften dazu ermächtigt ist und gleichzeitig das Subsidiaritätsprinzip gewahrt bleibt.
Unsere Forderung: Um den europäischen Integrationsprozess auf eine tragfähige Grundlage zu stellen, muss die Bundesregierung ein Konzept zur Kompetenzabgrenzung zwischen EU und Mitgliedstaaten im arbeits-, sozial-, und gesundheitspolitischen Bereich erarbeiten. Dieses Konzept muss sich an folgenden Grundsätzen orientieren:
1. Um die grundsätzliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten abzusichern, sind die Einzelermächtigungen zu präzisieren und klarer zu umschreiben.
2. Organisation, Finanzierung und Ausgestaltung der Leistungen der sozialen Sicherungssysteme müssen in der Kompetenz der Mitgliedstaaten verbleiben. Die den Mitgliedstaaten zustehenden Spielräume bei der Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme dürfen nicht eingeschränkt werden. Dies ist im Vertrag entsprechend abzusichern.
3. Die Methode der "offenen Koordinierung" muss sich zukünftig präzise im Rahmen der EU-Zuständigkeiten bewegen. Präzise Regelungen der EU-Zuständigkeiten werden konterkariert, wenn die gezogenen Schranken über die Methode der "offenen Koordinierung" gleichsam wieder abgebaut werden können.
4. In der Beschäftigungspolitik ist die Kompetenz der EU zu beschränken auf das Festlegen makroökonomischer Rahmenbedingungen. Art und Umfang der Arbeitslosigkeit sind in den einzelnen Mitgliedstaaten zu unterschiedlich, als dass eine einheitliche europäische Beschäftigungspolitik wirksam sein könnte.
5. Im Arbeitsrecht sind die Regelungen der EU zu beschränken auf typischerweise grenzüberschreitende Sachverhalte. Geregelt werden sollten etwa Bereiche wie Mindeststandards bei Kündigungsschutz und Telearbeit, atypische Beschäftigungs-verhältnisse und der Arbeitsschutz.
6. Zu fordern ist auch eine klare Eigenverantwortlichkeit der Mitgliedstaaten für die Verwaltungsverfahren im Bereich des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Abwicklung der ESF-Förderung darf nicht durch unnötige bürokratische Hindernisse erschwert werden.
7. Die Gesundheitspolitik gehört im Verhältnis zwischen EU und Mitgliedstaaten grundsätzlich zur nationalen Rechts- und Politiksphäre. In der Hand der Mitgliedstaaten verbleiben müssen insbesondere Organisation, Steuerung und Leistungen der medizinischen Versorgung sowie die Qualitätssicherung im Gesundheitswesen.
8. In der Jugend-, Familien- und Seniorenpolitik ist eine Einschränkung der umfassenden Kompetenzen der Mitgliedstaaten auch in Verfolgung anderer Ziele der EU nicht hinnehmbar. Dies gilt insbesondere für die Bereiche der Jugendsozialarbeit, des Jugendschutzes, der Familienförderung und der Kindergärten.
9. Zur Sicherstellung des Stellenwerts der sozialen Dienste, insbesondere der freien Wohlfahrtspflege, muss die Kompetenz der Kommission zur Kontrolle von Beihilfen an Einrichtungen im sozialen/karitativen Bereich begrenzt werden. 10. Ausdrücklich begrüßt wird die Entwicklung einer "Neuen Strategie" der EU-Kommission für eine nachhaltige Entwicklung als Kernelement aller Politikfelder. Diese Strategie muss sich aber im Rahmen der bisherigen Zuständigkeiten bewegen.
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