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Euro-Rettungsschirme: Koalitionsabgeordnete werfen Merkel Bruch von Parlamentsbeschlüssen vor
Finanzexperte Gerke: Schnelle Einschaltung des Bundesverfassungsgerichtes nötig

Mainz (ots)

Nach Recherchen von "Report Mainz" hat die Bundesregierung im Zusammenhang mit den Euro-Rettungshilfen mindestens vier koalitionseigene Beschlüsse des Bundestages gebrochen. Diese wiederholten Verstöße stoßen jetzt in den eigenen Reihen auf Kritik: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, Mitglied im Finanzausschuss, übt scharfe Kritik an der Bundeskanzlerin: "Frau Merkel hat das Gegenteil dessen verhandelt, was der Deutsche Bundestag im März beschlossen hat. Und das ist nicht in Ordnung. Entscheidend ist, dass das Parlament den Rahmen setzt, mit dem die Regierung dann auf die entsprechenden Gipfel geht, und das muss auch die Brandmauer für die Regierung sein."

Auch der CDU-Obmann im Bundestags-Haushaltsausschuss, Klaus-Peter Willsch, missbilligt das Regierungshandeln: "Ich finde, der Bundestag wurde bisher nicht ernst genug genommen. Es wurden immer wieder alle möglichen Sachzwänge vorgegeben, weshalb jetzt unbedingt innerhalb ganz kurzer Frist entschlossen werden muss. Wenn man sich die Ergebnisse der Politik anschaut, dann hat man nicht den Eindruck, dass es falsch gewesen wäre, einen Moment länger darüber nachzudenken."

Hintergrund der Kritik ist zum Beispiel der Beschluss vom 17. März 2011 (DS 17/ 4880). Darin fordern die Abgeordneten die Bundesregierung u. a. auf, für die "Wahrung der Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank" (EZB) zu sorgen und für "die Vermeidung einer Haftungsgemeinschaft für Schulden anderer Staaten". Nach Einschätzung des Börsen- und Finanzexperten Wolfgang Gerke, Präsident Bayerisches Finanz Zentrum, ist die Unabhängigkeit der EZB durch den Sondergipfel vom Juli aufgegeben worden. "Report Mainz" sagte er: "Die EZB ist zu einer Bad Bank für europäische Staatsanleihen geworden. Die Deutsche Bundesbank hätte das nie gedurft und die EZB darf es auch nicht. Das ist Vertragsverletzung pur." Auch die Haftungsgemeinschaft ist bereits Realität: "Wenn ich einem Land wie Griechenland, das am Markt 20 Prozent Zinsen zahlen muss, Geld zu 3,5 Prozent gebe, dann ist die Differenz eine echte Subvention. Das geht in zweistellige Milliardenbeträge hinein, die hier jedes Jahr an Transfer geleistet werden."

Nach Ansicht des Finanzexperten Gerke muss der wiederholte Bruch der Bundestags-Beschlüsse Konsequenzen haben: "Man muss, um hier den Regierenden Einhalt zu gebieten, das Bundesverfassungsgericht jetzt einschalten. Und die müssen schnell handeln. Sonst sind die Folgen soweit, dass wenn das Bundesverfassungsgericht hingeht und sagt, nein, das ist nicht zulässig, sonst ist es zu spät."

Auch die Forschungsabteilung der Deutschen Bank (DB) stellt ein bedeutendes Demokratiedefizit bei den Euro-Rettungsschirmen und der Gestaltung der EWU fest. In einer hauseigenen Publikation vom Juli dieses Jahres hat der Chef-Volkswirt Thomas Mayer deshalb u. a. den "Aufstand der Abgeordneten" des Bundestages gefordert. Im Interview mit "Report Mainz" befürchtet er, dass das Demokratiedefizit zu schweren Konsequenzen führen könnte: "Wir brauchen diese demokratische Kontrolle, sonst wird Europa an einem Demokratiedefizit letztendlich leiden und womöglich auseinander driften."

Bundesfinanzminister Schäuble hat ein Interview mit "Report Mainz" abgelehnt.

Weitere Informationen finden Sie auf der Internet-Seite www.SWR.de/report.

Zitate gegen Quellenangabe frei.

Bei Fragen wenden Sie sich bitte an "Report Mainz", Tel.: 06131/929-3351.

Original-Content von: SWR - Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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