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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar: Facebook und die Politik Funkenflug CARSTEN HEIL

Bielefeld (ots)

Es tut sich was: Weltweit verändert sich die politische Debattenkultur. Hat das Internet die Wirtschaft seit Mitte der 90er Jahre radikal verändert und noch stärker internationalisiert, sieht sich jetzt zunehmend die etablierte Politik dem Netz ausgesetzt, fast ausgeliefert. Sicher, seit etlichen Jahren dient das Internet schon als Informationsquelle über Politik. Doch als Instrument zur konkreten Aktivierung von Menschen wird das Netz erst seit kurzem benutzt - über soziale Gemeinschaften (Social Communities) wie Facebook und Twitter. Dieser Prozess hat sich in den vergangenen sieben Monaten so rasant beschleunigt, dass es noch keine wissenschaftlichen Untersuchungen darüber gibt. Aktuelles Beispiel ist der Fall Karl-Theodor zu Guttenberg. Zuerst hatten sich Heerscharen von Wissenschaftlern über dessen Doktorarbeit hergemacht und mit Hilfe des Netzes (Schwarmintelligenz) in kürzester Zeit viele Plagiats-Stellen gefunden. Ein Forscher allein hätte Wochen dafür benötigt. Jetzt versuchen Hunderttausende in einer Art Gegenbewegung, den zurückgetretenen Verteidigungsminister wieder in ein Amt zu hieven und rufen per Internet zu Demonstrationen für den Freiherrn auf. Schon die Demonstranten gegen den Bau des Stuttgarter Hauptbahnhofes verabredeten sich über das Internet. Das Netz hat sie kampagnenfähig gemacht. Nur so gelang es ihnen in wenigen Wochen, einen auf demokratisch-rechtsstaatlichem Wege über Jahre entstandenen Beschluss ins Wanken zu bringen. Die tiefgreifendsten Folgen der sozialen Netzwerke erlebt derzeit der Nahe Osten. Die Umbrüche in Ägypten und Tunesien wären in dieser Intensität und Schnelligkeit ohne Twitter und Facebook nicht denkbar. Das Internet als Werkzeug, Despoten von der Macht zu vertreiben. Zu recht haben die chinesischen Machthaber vor nichts so viel Angst wie vor dem Internet. Deshalb sind im Reich der Mitte Tausende von Seiten zensiert. Noch haben die roten Mandarine den Unmut unter Kontrolle. Ist das Netz also ein willkommenes Hilfsmittel für die Demokratie, gar für Graswurzel-Demokratie und Bürgerbeteiligung? Unterschriftensammlung leicht gemacht? So einfach ist es nicht. Leicht sind die Prozesse im Netz zu manipulieren. Es ist möglich, dass politische Akteure wie die Junge Union, die Facebook-Kampagne zu Gunsten Guttenbergs organisieren. Was durchaus legitim wäre in der politischen Auseinandersetzung. Nach wie vor sind im Netz eher die gebildeten und besser verdienenden Menschen unterwegs. Von einer breiten Demokratisierung kann entsprechend keine Rede sein. Doch das sieht in der Wirklichkeit nicht viel anders aus. Schließlich ist nachzuweisen, dass der Klick im Netz durch Erscheinen bei den heute in vielen Städten Deutschlands geplanten Pro-Guttenberg-Demos untermauert wird. Demokratie spielt sich letztlich immer in der Realität, nicht allein in der virtuellen Welt ab. Der Funke aber springt schnell über wie Stuttgart, Kairo und Tunis zeigen.

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