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Neue Westfälische (Bielefeld): KOMMENTAR NRW nach der Anordnung aus Münster Auf dünnem Eis PETER JANSEN, DÜSSELDORF

Bielefeld (ots)

Ein Fax aus Münster hat die politische Landschaft in Düsseldorf aufgemischt und einen drastischen Stimmungsumschwung bewirkt. Die Entscheidung des Verfassungsgerichts, dem Antrag von CDU und FDP auf Erlass einer einstweiligen Anordnung teilweise stattzugeben, hat der Opposition plötzlich Aufwind verschafft. Die regierende Minderheitskoalition aus SPD und Grünen wirkte mal verwirrt, mal angefressen. Die Selbstsicherheit, mit der sich beide Parteien an den Schalthebeln der Macht eingerichtet hatten, war verflogen. Dabei steht der Anlass, die Entscheidung aus Münster, in keinem Verhältnis zu dieser Wirkung. Die Handlungsfähigkeit der Landesregierung wird durch die Anordnung allenfalls minimal beeinträchtigt. Es geht auch nicht in erster Linie darum, ob die Verfassung durch die Höhe der Neuverschuldung im Nachtragshaushalt verletzt wird - die Obergrenze war bereits mit dem Haushalt 2010 durchbrochen, den noch CDU und FDP verabschiedet hatten. Strittig ist vor allem, ob Zuführungen an Sondervermögen mit Krediten bezahlt werden dürfen. Die Aufregung nach der Anordnung aus Münster, die Triumphgesänge der Opposition und die Irritation der Koalition belegen mit Nachdruck, wie dünn das Eis ist, auf dem sich alle Parteien in Düsseldorf bewegen. Zwar wäre das Verdikt der Verfassungsrichter nicht anders ausgefallen, wenn SPD und Grüne eine eindeutige Mehrheit im Landtag hätten, aber trotzdem kochte sofort die Debatte über Neuwahlen hoch, um die instabile Situation zu beenden. Ein Spiel mit wechselnden Mehrheiten wird es im Landtag nicht geben. Dass CDU oder FDP der ungeliebten Minderheitskoalition in den zentralen Fragen der Landespolitik über die Hürde helfen, bleibt ein Wunschtraum von Roten und Grünen. Auch der Unterstützung der Linken kann sich die Koalition nicht sicher sein. Je mehr Rot-Grün unter Druck gerät, in der Finanzpolitik auf Konsolidierungskurs zu gehen, je mehr sie danach suchen müssen, wo das Land weniger Geld ausgeben kann, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die Linken als Hilfstruppe einspringen. Neuwahlen, über die zur Jahreswende noch kaum jemand redete, sind wieder in aller Munde. Selbst der neue CDU-Chef Norbert Röttgen, der in diesem Fall nach Düsseldorf wechseln müsste, hat sich klar für eine Wählerbefragung ausgesprochen und will nicht als Bittsteller für eine große Koalition anklopfen, wenn Rot-Grün allein nicht mehr weiterweiß. Dass die FDP lieber in eine Ampelkoalition einsteigen als sich den Wählern stellen will, ist angesichts ihrer Umfragewerte nachvollziehbar. Aber Angst vor dem Ergebnis ist das dünnste Argument gegen Neuwahlen. Die Initiative, klare Verhältnisse zu schaffen, muss von SPD und Grünen ausgehen. Bevor sie sich bei den zentralen Fragen der Landespolitik wie Haushalt, Schule oder WestLB-Krise den unberechenbaren Linken ausliefern, müssen sie dafür sorgen, dass der Wähler neu entscheiden kann.

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