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Mittelbayerische Zeitung: Was wird aus Europa? In der Europäischen Union hat sich ein Berg ungelöster Probleme angehäuft. Von Daniela Weingärtner

Regensburg (ots)

Vor dem EU-Gipfel in Brüssel muss sich Donald Tusk fühlen wie ein Hausherr, der 28 Gäste eingeladen hat, obwohl ihm eigentlich längst gekündigt wurde und die Bagger an den Fundamenten knabbern. Mit dem Kündigungsschreiben wedelt die polnische Regierung, die den Landsmann von der Konkurrenzpartei nicht für eine zweite Amtszeit unterstützen will. Allein das ist in Europa, wo man unabhängig von Parteifarben stolz auf Landsleute in hohen EU-Ämtern zu sein pflegt, ein unglaublicher Vorgang. Doch es ist keineswegs die einzige Sorge, die den noch mindestens bis nächsten Sommer amtierenden Ratspräsidenten Tusk umtreibt. Sein Einladungsbrief an die 28 europäischen Regierungschefs zählt einen ganzen Berg ungelöster Probleme auf und scheint in seinem resignierten Ton das Ergebnis des zweitägigen Treffens schon vorwegzunehmen: Die Abschiebepartnerschaften mit afrikanischen Ländern werden ausgebaut, um den Druck auf die EU-Außengrenzen zu verringern. Doch die Verhandlungen stehen erst am Anfang. Über die Verlängerung oder gar Ausweitung der Sanktionen gegen Russland muss gottlob nicht jetzt sondern erst im Dezember entschieden werden. Denn weder in seiner Syrienpolitik noch in der Ostukraine lässt sich Wladimir Putin von den europäischen Drohgesten beeindrucken. Schließlich soll Belgien dazu bewegt werden, seine Blockade gegen das Freihandelsabkommen mit Kanada aufzugeben. Freihandel sei gut für die Europäer, mahnt Tusk in seiner Einladung. Die aber wollen das partout nicht einsehen und protestieren weiter gegen CETA und TTIP. Daher sieht sich das kleine wallonische Regionalparlament in seiner Haltung gerechtfertigt, Belgiens Unterschrift unter den Vertrag zu blockieren. In den Fluren des Europaparlaments, den Gängen der EU-Kommission und bei den Treffen der Regierungen macht sich Lähmung breit. Die trotzige Euphorie, die Großbritanniens Austritt und die auf dem Fuß folgende Schwäche des britischen Pfundes ausgelöst hatten, ist verflogen. Noch immer sind die Resteuropäer überzeugt, dass sich die Briten mit ihrem Brexit-Votum einen Bärendienst erwiesen haben. Doch ohne den großen Bremser Britannia wird deutlich, dass die Differenzen darüber, in welchen Politikbereichen Brüssel künftig mitreden darf, auch auf dem Kontinent gewaltig sind. Da ist nicht nur die Kaczynski-Partei in Polen, die sich nach zwölf Jahren Mitgliedschaft in der EU so wenig zuhause fühlt, dass sie freiwillig auf einen Landsmann im höchsten Amt des Rates verzichten will. Da ist auch der in Ungarn mit unangreifbarer Mehrheit regierende Viktor Orban, der nach Gusto Oppositionszeitungen schließen lässt und - gruselige Parallele zu Polen - die Justiz an die Leine nehmen will. Auf Mahnungen der EU-Kommission pfeift er. Dass seine Handlungen ohne Konsequenzen bleiben, sendet Populisten in anderen europäischen Staaten wie Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen in Frankreich ein verheerendes Signal. Was bleibt von der EU übrig, wenn die Menschenrechtscharta nicht mehr durchgesetzt, das Verhandlungsmandat der EU-Kommission bei internationalen Verträgen wie CETA und TTIP infrage gestellt und gemeinsam gefasste Beschlüsse zur Verteilung von Flüchtlingen einfach ignoriert werden? Die als "politische Kommission" angetretene Mannschaft um Jean-Claude Juncker reagiert erstaunlich kleinlaut auf die Missachtung, die ihr seitens der Regierungen entgegenschlägt. Statt Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen oder Ungarn anzustrengen, kümmert sie sich unverdrossen um Fangquoten für Dorsch und die geplante Neuverschuldung der Eurostaaten. Doch die Herzen der Europäer gewinnt man mit politischer Erbsenzählerei nicht zurück.

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