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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu den Anschlägen in Boston: "Die Macht der Angst"

Regensburg (ots)

Der Tag danach ist vor allem geprägt von Mitgefühl, von Wut - und von Angst. Das alles ist mehr als verständlich. Die Bilder aus Boston haben uns erschreckt. Das Leid der Opfer, darunter ein kleiner Junge, macht uns traurig. Der hinterhältige Angriff auf Menschen, die an einer friedliche Sportveranstaltung teilnahmen (oder auch nur zuschauen wollten) verursacht auch Wut auf den oder die Täter. Das ist alles richtig und es ist wohl auch wichtig. Ihre größte Macht können Terroristen aber dadurch ausüben, dass ihre Taten Angst verursachen. Schon in den Stunden nach dem Anschlag von Boston hat sich diese Angst in die Köpfe und Herzen von Menschen auf der ganzen Welt gefressen. Intensivst wird beispielsweise in verschiedenen Foren die Frage diskutiert, ob denn zum Beispiel der Berlin Marathon jetzt noch genauso stattfinden könne. Auch ein Regensburg Marathon, eigentlich jede größere Veranstaltung dieser Art, wird nun zumindest leise in Frage gestellt. Genau das darf aber nicht passieren. Auch wenn diese Reaktion natürlich nachvollziehbar ist, darf die Angst nicht unser Handeln dominieren. Denn genau genommen würden dann die Täter unser Handeln dominieren. Damit erhalten Sie aber mehr Macht, als dies mit einem physischen Angriff möglich wäre. Damit werden selbst Einzeltäter in die Lage versetzt, ihren Wahnsinn in die ganze Welt zu verbreiten. Vielleicht hilft an dieser Stelle ein Blick auf die vorhandenen Fakten. Was wissen wir denn eigentlich schon? Es handelt sich ganz offensichtlich um einen Terrorakt. So weit, so schlecht. Wer hinter den Anschlägen steckt, wie viele Täter es gibt, welche Motive sie oder ihn zu solch einer ebenso sinnlosen wie grausamen Aktion bewegt hat - wir wissen es schlichtweg nicht. Noch direkter: Wir wissen streng genommen ja noch nicht einmal, ob der Täter selbst noch am Leben ist. Warum also sollen wir diesen Menschen erlauben, dass sie uns Angst machen? Warum sollen wir sie in die Lage versetzen, unser Denken zu bestimmen. Auch wenn es natürlich nicht einfach ist. Wir müssen uns dagegen wehren, dass sich diese Angst verbreitet. Wir müssen uns auch dagegen wehren, dass versucht wird, aus der vorhandenen Angst Kapital zu schlagen. Es ist schlichtweg unerträglich, wenn Lobbyisten sich ein solches Ereignis zu Nutze zu machen wollen. Kaum zu glauben, dass es tatsächlich schon heute wieder deutsche Politiker gibt, die wie ein Pawlow'scher Hund nach der Datenvorratsspeicherung schreien. Ohne zu wissen, ob für das Bostoner Attentat nicht vielleicht ein verrückter Einzeltäter verantwortlich ist, der in seinem ganzen Leben weder Telefon noch Internet benutzt hat. Wer nichts weiß, und doch mit der Verkündung von immer gleichen Pauschalrezepten tut, als könne er etwas bewirken, wird unglaubwürdig - schlimmer noch: Er fördert die Verunsicherung bei den Menschen, transportiert und verstärkt die Angst. Genau das Gegenteil ist aber notwendig. Die Mordserie der NSU hat uns gerade in Deutschland vor Augen geführt, wie wichtig funktionierende und zielgerichtete Arbeit bei den Ermittlern ist. Sie hat uns eben auch gezeigt, dass Informationen immer nur so gut sind, wie deren Verwerter. Doch selbst, wenn an diesen Stellen alles nahezu perfekt funktionieren sollte: Hundertprozentige Sicherheit kann es nicht geben, hat es noch nie gegeben. Deshalb müssen wir dem Terror auf andere Weise entgegentreten. Wenn wir uns nicht terrorisieren lassen, wenn wir unsere Angst nicht zu mächtig werden lassen, dann stehen die Täter auf verlorenen Posten. Sie können vielleicht mit einem Anschlag einen grausamen Erfolg haben, gewinnen können sie dann aber nicht. Autor: Holger Schellkopf

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