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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel zu Tarifverhandlungen/Metaller von Christine Hochreiter

Regensburg (ots)

Wikipedia erklärt einen Warnstreik so: Er ist ein "Unterfall der üblichen Arbeitsniederlegung von Arbeitnehmern in Form eines kurzen Streiks in einem Betrieb in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit laufenden Tarifverhandlungen". Nicht wenige Unternehmen in der deutschen Metall- und Elektroindustrie - vor allem aus der Automobilbranche - waren in den vergangenen Tagen von der Nadelstich-Strategie der IG Metall akut betroffen. Wie Wikipedia weiter weiß, ist es unter anderem Ziel eines Warnstreiks, festgefahrene Tarifverhandlungen zu beleben. Gestern war es wieder einmal so weit: In Fürstenfeldbruck setzten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an einen Tisch. Und gingen am Nachmittag - wie erwartet - auseinander, ohne sich auf konkrete Vereinbarungen geeinigt zu haben. Die logische Folge: Die Gewerkschaft erhöht den Druck auf die Unternehmen und hat für heute schon einmal Mitarbeiter von Continental, Infineon, Siemens, Osram, Schneider Electric und Webasto zu einer Großdemonstration bei BMW in Regensburg aufgerufen. Der Knackpunkt im Konflikt 2012 sind weniger die üblicherweiser prozentual weit auseinanderklaffenden Vorstellungen über das Gehaltsplus. Dass die Metaller nach der Lohnzurückhaltung in der Krise und angesichts guter Geschäfte diesmal wieder ein größeres Stück vom Kuchen abbekommen sollen, ist unstrittig. Gestern hat sich sogar die EU-Kommission eingemischt und für höhere Lohnabschlüsse als zuletzt ausgesprochen. Uneigennützig ist das nicht. Mehr Kaufkraft bedeutet auch mehr Import. Wenn es einen deutlichen Aufschlag gibt, dürfte die genaue Zahl für die Beschäftigten aber nicht so wichtig sein. Auch bei der zweiten Kernforderung der IG Metall, der unbefristeten Übernahme der Auszubildenden, kann es mit verschiedenen Ausnahmetatbeständen eine Lösung geben, die von beiden Seiten getragen wird. Warum der Gewerkschaft dieser Punkt allerdings so wichtig ist, erschließt sich in Zeiten des demografischen Wandels kaum. Schließlich geht der Wirtschaft der Nachwuchs aus. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rechnet damit, dass heuer rund 80 000 Lehrstellen unbesetzt bleiben. Um sich Fachkräfte für die Zukunft zu sichern, werden Arbeitgeber automatisch alles tun, um gut ausgebildete junge Leute im Unternehmen zu halten. Sie dürfen aber nicht dazu verpflichtet werden. Mit der Leiharbeit rückt die IG Metall indes ein wichtiges Thema in den Fokus. Mit ihrer Forderung nach einem Mitspracherecht des Betriebsrats trifft sie den Nerv der Zeitarbeiter. Viele fühlen sich als Beschäftigte zweiter Klasse, weil sie die gleiche Arbeit wie die Kollegen aus der Stammbelegschaft leisten, dafür aber unter dem Strich weniger Geld bekommen - mit ungewissen Perspektiven. Doch auch die Arbeitgeber argumentieren zurecht, dass sie die Zeitarbeit brauchen, um Produktionsspitzen abzufedern, und dass Zeitarbeiter die Chance haben, in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen zu werden. Bei weitem problematischer gestaltet sich allerdings das Instrument der Werkverträge, das von der Gewerkschaft - ebenso wie die Forderung nach einem Mindestlohn - nicht thematisiert wird. Beschäftigte mit Werkverträgen verdienen in der Regel noch viel weniger als Leiharbeiter. Aber vielleicht geht es bei Warnstreiks auch nicht darum, alle Probleme offenkundig zu machen, sondern um Muskelspiele der Gewerkschaften vor den Arbeitgebern (und vor den eigenen Mitgliedern) - in einem Ritual, zu dem es bislang keine Alternative gibt.

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Mittelbayerische Zeitung
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