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Mittelbayerische Zeitung: 67 - das ist zu wenig Eine längere Lebensarbeitszeit scheint unumgänglich. Die Voraussetzungen stimmen aber noch nicht. Von Bernhard Fleischmann

Regensburg (ots)

Wir haben eine neue Aufregerzahl: 67. Vor zwei Tagen begann der Einstieg in den späteren Rentenbeginn. Wer in diesem Jahr 65 wird, muss einen Monat länger arbeiten. Bekannt ist das schon lange, aber jetzt kommt wieder Schwung in die Diskussion, ob die Lösung wirklich sinnvoll ist. Vorweg: So, wie sie aktuell konzipiert ist, ist sie es nicht. Deswegen sollten die Kritiker an Horst Seehofers Rentenschwenk ihre Worte mit mehr Bedacht wählen. Verständlich ist, dass bei den Koalitionären der Grad der Begeisterung über den CSU-Chef weit in den Minusbereich tendiert, wenn dieser die Reform unter den gegenwärtigen Umständen als faktische massenhafte Rentenkürzung geißelt. Denn der Koalitionsbeschluss ist dahingehend eindeutig: Union und FDP stehen zur Rente mit 67. Eindeutig zeichnet sich aber auch ab, dass das Konstrukt in seiner jetzigen Form genau diese Folgen haben wird - weniger Rente vor allem für jene, die ohnehin wenig bekommen werden. Arbeitsministerin Ursula von der Leyen bügelt Kritik daran ziemlich unverschämt mit einem alten rhetorischen Trick ab. Es gebe nur drei Möglichkeiten, sagt sie: Drastisch steigende Rentenbeiträge, Rentenkürzung oder eben länger arbeiten. Was ist falsch daran? Nichts, außer dass der Punkt "länger arbeiten" mehr Gestaltungsspielräume lässt als das sture Modell 67. Dort steckt so viel Fantasie und Kreativität drin wie in einem Betonquader. Solcherlei statische Lösungen wirken zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar, werden aber der Wirklichkeit nicht gerecht. Richtig ist, dass das Rentensystem ein "Weiter-so" nicht aushält. Richtig ist auch, dass uns eine stärkere Öffnung für Zuwanderer etwas helfen würde, aber nur vorübergehend und auch nur in viel zu geringem Maße. Eine längere Lebensarbeitszeit drängt sich als Gegenmaßnahme auf. Aber doch nicht mit einem pauschalen Eintrittsalter von 67. Das geht weit an der Lebensrealität vorbei. Am schlimmsten trifft es Menschen, die hart körperlich arbeiten und wenig verdienen. Sie werden öfter krank, haben ein höheres Risiko, arbeitslos zu werden und schaffen deshalb kaum 45 Beitragsjahre für die volle Rente oder alternativ die Beschäftigung bis 67. Sie sind am Ende die Verlierer. Obendrein sterben sie früher als der Durchschnitt. Auf der anderen Seite genießt der Gutverdiener seine volle Rente länger und bei besserer Gesundheit. Das ist weder gerecht noch gesund für die Gesellschaft. Länger arbeiten ja, aber dafür brauchen wir etwas mehr Intelligenz und Flexibilität im System. Es gibt genügend Menschen am Rande des Ruhealters, die gerne weiterarbeiten wollen; oft nur Teilzeit, aber sie können ihr Wissen und ihre Fähigkeiten noch sehr gewinnbringend für sich und ihre Arbeitgeber einbringen. Man kann auch über Lebensarbeitszeitkonten nachdenken. Wir brauchen überdies Lösungen für die zunehmende Zahl von Menschen mit sehr bunten und gebrochenen Erwerbsbiografien. Die Rente mit 67, so wie sie jetzt ausgestaltet ist, orientiert sich immer noch an der Realität einer vergangenen Epoche mit geradlinigen Lebensverläufen. Und sie setzt voraus, dass Ältere arbeiten dürfen, wenn sie wollen. Dem ist aber noch lange nicht so. Zwar hat sich die Beschäftigungsquote der 60- bis 64-Jährigen binnen elf Jahren auf 41 Prozent verdoppelt. Aber nur ein Viertel in dieser Altersgruppe arbeitete in einer sozial abgesicherten Position. Das ist beschämend wenig. So schlimm, wie vielfach beklagt, scheint der Fachkräftemangel nicht zu sein. Ohne einen funktionierenden Arbeitsmarkt für Ältere wird die Rentenversicherung deshalb den Veränderungen der nächsten 20 Jahre kaum unverändert standhalten.

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