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Mittelbayerische Zeitung: Leitartikel "Mittelbayerische Zeitung" (Regensburg) zu Bin Laden

Regensburg (ots)

Wird der 2. Mai 2011 als Schlüsselerlebnis in die Geschichte eingehen, so wie es der 11. September 2001 tat? Wird die Welt nach diesem Montag eine andere werden? Vielleicht. Eines aber ist klar: Eine bessere oder gar eine sicherere wird sie jetzt, nach dem Tod von Osama bin Laden nicht werden. Zumindest nicht sofort. Es mag uns befremden, wenn Menschen mit einer Flagge ummantelt in den frühen Morgenstunden auf den Straßen den Tod eines Menschen feiern, eines Massenmörders freilich, der Staatsfeind Nummer eins war. Für viele US-Amerikaner aber ist der Tod des Al-Kaida-Führers der Beginn der Verarbeitung eines nationalen Traumas. Seit 9/11 jagte Amerika das Phantom Osama bin Laden, diesen Mann, den die USA einst im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan unterstützt haben und der dann die Nation mit den Anschlägen auf das World Trade Center den schwersten Schlag ihrer Geschichte versetzt hat. Es war die Jagd nach Bin Laden, die der Welt die Kriege in Afghanistan und im Irak einbrachte. Es war der Kampf gegen Bin Laden, der den Krieg gegen den Terror immer wieder an die Grenze bis hin zu einem Krieg der Kulturen trieb. Dieses Kapitel scheint nun zu Ende zu gehen. Aber der Schein trügt. Es ist klar, dass für US-Präsident Barack Obama dieser Sieg über den Erzfeind der Freifahrtschein in die nächste Legislaturperiode ist. Er hat erreicht, was sein Vorgänger George W. Bush trotz aller Bemühungen mit oder ohne Billigung der Welt nicht geschafft hat. Obama hat seinem Land den Frieden geschenkt - zumindest die Art, die im Englischen als "peace of mind" bezeichnet wird, als Seelenfrieden. Den wirklichen, echten Frieden hat er damit aber nicht erzielt. Vielleicht hat der Tod Bin Ladens der Welt alles andere als den Frieden gebracht. Osama bin Laden war der Kopf des weltweiten Terrornetzwerks Al-Kaida. Er ist verantwortlich für den Tod tausender Menschen. Aber wie viel Einfluss er noch hatte, ob die Al-Kaida überhaupt noch als Einrichtung existiert, ist fraglich. Für den islamistischen Terror ist das Netzwerk so etwas wie ein Franchise-Unternehmen geworden: Man erwirbt eine Lizenz, wird mit technischer und logistischer Infrastruktur ausgerüstet und arbeitet ansonsten auf eigene Rechnung. Mögen sich die Attentäter von Madrid oder London auf die Al-Kaida berufen haben: Sie funktionierten auch ohne Osama bin Ladens direkte Beteiligung. Ihre Nachfolger werden es weiterhin tun. Mit der offenbar exzellent vorbereiteten und durchgeführten Kommandoaktion haben die USA zwei Dinge erreicht. Erstens haben sie bewiesen, dass keiner ihrem Zugriff entgeht, nicht einmal ein Terrorfürst. Und mit der Tötung Bin Ladens haben sie der Hydra der internationalen islamistischen Gewalt den Kopf abgeschlagen - zumindest haben sie ihn seiner zentralen Identifikationsfigur beraubt. Doch wie es bei einer Hydra so ist: neue Köpfe wachsen nach. Zudem besteht die Gefahr, dass durch den Tod Bin Ladens, dieser Heilsfigur des selbst ernannten Heiligen Krieges gegen den westlichen Imperialismus, eine Märtyrerfigur geboren worden ist. Hat der Al-Kaida-Chef bereits in den letzten Jahren mit Botschaften seine Anhänger elektrisiert, deren Echtheit oftmals zumindest angezweifelt wurde, so könnte er jetzt, da er "für die Sache" gestorben ist, umso mehr als eine Art Messias der Gewalt gelten, in dessen Namen und für dessen Rache eine neue Gilde des Terrors gegen den Westen zu Felde zieht - und zwar so lange, wie der in ihren Augen reale Kampf der Kulturen weitergeführt wird. Denn hier liegt das eigentliche Problem: Ein Osama bin Laden konnte nur existieren, weil ein Teil der Welt glaubt, dass ein anderer ihn auslöschen will. Im Krieg um Afghanistan wird sich zeigen, ob das wirklich so ist. Gelingt es dem Westen am Hindukusch, ein Land beim Neuanfang zu begleiten und in eine selbstbestimmte Zukunft zu führen, dann und nur dann besteht die Chance, dass mit dem Tod Bin Ladens auch wirklich und endlich das Ende des großen Kriegs gegen den Terror eingeläutet wurde.

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