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Mittelbayerische Zeitung: Gefährlicher Rückzug Leitartikel der Mittelbayerischen Zeitung zur Bundeswehrreform

Regensburg (ots)

Die politischen Weichen sind unumkehrbar gestellt. Schon zum 1. März werden keine Wehrpflichtigen mehr zur Bundeswehr einberufen, drei Monate später wird der Pflichtdienst beim Bund ganz ausgesetzt. Das kann man nun als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage in der Welt betrachten, man kann aber auch argumentieren, Verteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg muss angesichts fehlender Milliarden im Staatshaushalt den Sparkommissar geben - ob es nun Sinn macht oder nicht. Fakt ist, die Bundeswehr wird von gut 250 000 Soldaten auf rund 185 000 Uniformierte schrumpfen. Und dieser Sparkurs wird an Ostbayern wieder einmal nicht spurlos vorbeigehen. Die unselige Entwicklung hat schon kurz nach dem Fall des Eisernen Vorhanges ihren Anfang genommen. Damals wurde, durchaus unterstützt von der Bayerischen Staatsregierung in München, die 4. Panzergrenadierdivision in Regensburg platt gemacht. Mit dem Abzug der Division Spezielle Operationen ist die Stadt an der Donau, die schon ein römisches Heerlager beherbergte, so gut wie soldatenfrei. Das boomende Regensburg konnte den Verlust einigermaßen wegstecken. Viel härter traf es andere Garnisonsstädte, für die die Kaserne einen erheblichen Wirtschafts- und Identifikationsfaktor darstellte. Hemau im Landkreis Regensburg zum Beispiel knabbert noch heute an dem Truppenabzug, genauso Neunburg vorm Wald und vielleicht wird auch bald in Weiden, der Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote Bayerns, die Ostmark-Kaserne dicht gemacht. Der einzige, in Ostbayern verbliebene Großverband des Heeres, ist derzeit die in Amberg beheimatete Panzerbrigade 12. Sie hat Standorte in Pfreimd, Oberviechtach, Roding, Cham, Freyung, Regen und Bogen. Und auch dort geht mittlerweile das Abzugsgespenst um, seit durchsickerte, dass man im Bundesverteidigungsministerium nur noch Großstandorte mit über 1000 Soldaten für wirtschaftlich überlebensfähig hält. Gerade diese Garnisonen im ehemaligen Grenzland zeichnete etwas aus, das Guttenberg und seinen Generalen auf dem Feldherrnhügel heute scheinbar völlig egal zu sein scheint: Die Bevölkerung identifizierte sich seit der Gründung der Bundeswehr sehr stark mit den Soldaten, was nicht nur eine Vielzahl an Partner- und Patenschaften beweist. In diesen Kasernen registrierte man auch ein überdurchschnittlich hohes Aufkommen an Freiwilligen, die später in der Truppe als Zeit- und Berufssoldaten Dienst taten. Und dafür soll die Region heute abgestraft werden? Gerade nach der Aussetzung der Wehrpflicht wird in Parlament und Regierung viel über die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber geredet. Ohne die Zwangsrekrutierung junger Männer muss sich die Freiwilligentruppe auf dem Arbeitsmarkt mit Nachwuchs eindecken - und das kann nur gelingen, wenn die Armee als attraktiver Partner wahrgenommen wird. Dazu gehört nicht nur eine hohe Akzeptanz des Dienstes an der Waffe bei der Bevölkerung, sondern auch die Präsenz in der Fläche, um eine einigermaßen heimatnahe Verwendung gewährleisten zu können. Schließlich muss trotz klammer Kassen die Bezahlung stimmen, damit das soziale Gleichgewicht in der Truppe erhalten bleibt. Gerade in Ostbayern wären viele dieser Voraussetzungen gegeben. Noch funktioniert hier der Austausch zwischen Gesellschaft und Streitkräften. Noch empfindet man hier die Soldaten als Staatsbürger in Uniform. Das fragile Gleichgewicht könnte aber schnell kippen, wenn es nochmals zum Kahlschlag kommt.

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