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WAZ: Skandal bei der Vestischen Arbeit. Ein Revisionsbericht offenbart Schlamperei und mutmaßlichen Betrug bei der Vestischen Arbeitsagentur

Essen (ots)

Die Bundesanstalt für Arbeit (BA) hat bei der
Überprüfung der "Vestischen Arbeit" festgestellt, dass zwei von drei 
Hartz-IV-Fällen nicht korrekt bearbeitet wurden. In 66,5 Prozent 
aller Ende 2006 geprüften Vorgänge fanden die Revisoren fehlerhafte 
Rechtsanwendungen, Rechen- und Übertragungsfehler oder fehlende 
Dokumentationen. Zudem waren 60,8 Prozent der vorgelegten 
Eingliederungsvereinbarungen fehlerhaft. Dies berichtet die in Essen 
erscheinende Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) in ihrer 
Donnerstag-Ausgabe.
 Mit diesem Ergebnis stehe die Behörde im Vergleich zu weiteren 
sieben bundesweit geprüften Sozialbehörden (ARGE) noch 
vergleichsweise gut da, heißt es in dem Bericht: Ihre 
Fehlerhäufigkeit lag noch höher. Das geht aus dem vertraulichen 
Abschlussbericht der Innenrevision der BA hervor. Und auch ein 
vermuteter Interessenkonflikt des Geschäftsführers der Vestischen 
Arbeit wird darin beleuchtet.
 Denn Geschäftsführer Ulrich Lammers (48) war nicht nur ab 2004 
Leiter der Hartz-IV-Behörde, sondern stand bis August 2007 als 
Geschäftsführer des Städtischen Altenheims Grullbad im Dienste der 
Stadt Recklinghausen. Und die spielt eine ganz besondere Rolle: 
Lammers war als leitender Beamter des Sozialamtes der Stadt Ende 2004
per Abordnung zum Chef der neuen, kreisweit arbeitenden Behörde 
gemacht worden. Eine Folge: Die Stadt Recklinghausen erhielt deutlich
mehr Ein-Euro-Jobber als die übrigen neun kreisangehörigen Städte. 
Ein Umstand, der auch den Sozialausschuss des Kreistages hellhörig 
werden ließ.
 Denn seine Doppelfunktion nutzte das CDU-Mitglied dazu, um bis zu 40
Ein-Euro-Jobber im Städtischen Altenheim arbeiten zu lassen. Es kam 
zur Kündigung von Stammpersonal - darunter war auch der 
Betriebsratsvorsitzende. Ein-Euro-Jobber übernahmen Tätigkeiten im 
Pflegebereich, im sozialen Dienst und im haustechnischen Dienst.
 PDS-Kreistagsmitglied Detlef Beyer-Peters bezifferte den 
Wettbewerbsvorteil für das Altenheim auf rund 400 000 Euro jährlich. 
Die sozialpolitische Sprecherin der SPD im Kreistag, Brigitte 
Puschadel, hatte Ulrich Lammers zur Klärung der Vorwürfe im 
Sozialausschuss befragen wollen. Doch Lammers kam nicht. Stattdessen 
musste sein Vertreter ran. Und dieser präsentierte deutliche Zahlen: 
Von 272 Ein-Euro-Jobbern, die Ende 2006 in den 57 Altenheimen im 
Kreis Recklinghausen beschäftigt wurden, arbeiteten 156 in 
Recklinghausen. Allein 40 davon im städtischen Altenheim Grullbad.
 Vom gesetzlich angestrebten Ziel der Qualifizierung der 
Langzeitarbeitslosen war das Städtische Altenheim laut Prüfbericht 
Mitte 2005 meilenweit entfernt: Das Konzept für eine sechs Monate 
laufende Maßnahme kam Monate zu spät, eine fachliche Anleiterin wurde
erst drei Monate nach Projektbeginn eingestellt.
 Nicht nur dies ließ die Staatsanwaltschaft Bochum - sie ermittelt 
gegen Ulrich Lammers und drei weitere Beschuldigte wegen des 
Verdachts der Untreue - aufhorchen, sondern auch der Umstand, dass 
die BA bei ihrer Revision noch mehr herausfand: Die Stadt 
Recklinghausen erhielt von der Vestischen Arbeit volle 
Kostenpauschalen für nicht besetzte Teilnehmerplätze beim städtischen
Entsorgungsbetrieb.
 Schlamperei oder Absicht? Diese Frage stellt sich bei festgestellten
Unregelmäßigkeiten in der Vestischen Arbeit: In 83,3 Prozent der 
überprüften Trainingsmaßnahmen wurden keine Teilnahmebeurteilungen 
erstellt. Und in 85 Prozent der Fälle wurde von der Vestischen Arbeit
kein Ergebnisbericht angemahnt, heißt es weiter. Diese seien aber 
wichtig für die weitere "Integrationsweg-Planung".
 Landrat Jochen Welt (SPD) hatte aufgrund des vermuteten 
Interessenkonfliktes des Geschäftsführers den Recklinghäuser 
Bürgermeister Wolfgang Pantförder (CDU) aufgefordert, die Situation 
zu bereinigen und den Doppel-Geschäftsführer vom Amt des 
Altenheim-Chefs zu entbinden. Die Stadt reagierte nicht.
 Und auch Lammers weigerte sich gegenüber dem Kreis Recklinghausen, 
den mit 500 Euro monatlich dotierten Nebenjob aufzugeben. Dabei hatte
er zu Beginn seiner Tätigkeit im Jahre 2004 eine Selbstverpflichtung 
unterschrieben, die Funktion als Altenheim-Geschäftsführer 
aufzugeben.
 Für Astrid Neese, Leiterin der Agentur für Arbeit in Recklinghausen 
ist der Fall klar: Angesichts der bekannten Fakten sei der 
Geschäftsführer - unabhängig vom Ausgang des Ermittlungsverfahrens - 
nicht mehr im Amt zu halten.

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