Alle Storys
Folgen
Keine Story von Rheinische Post mehr verpassen.

Rheinische Post

Rheinische Post: Gesucht: neuer Ruhrbaron, neue Industriepolitik

Düsseldorf (ots)

Von Sven Gösmann
Eigentlich wird Essen erst 2010 Kulturhauptstadt Europas. Doch 
schon jetzt sind in der Ruhrgebiets-Metropole alle Zutaten für ein 
erfolgreiches Festival vorhanden: das Drama in Shakespearscher 
Dimension -voller Missgunst, Intrige, Schlachtenlärm; daneben die 
große Oper mit leider auch manch schrägem Ton. Fehlt nur noch die 
große Gala à la Hollywood mit der feierlichen Ankündigung: ". . . und
der nächste Ruhrbaron wird. . . " Welcher Name dann folgt, darum 
dreht sich der für Außenstehende nur noch schwer durchschaubare 
Streit um den angestrebten Börsengang der "weißen" Bereiche (Chemie, 
Energie, Immobilien) des in Essen beheimateten Ruhrkohle-Konzerns 
RAG. Unternehmensboss Werner Müller und sein politischer wie 
persönlicher Gegner, Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, haben kaum 
etwas unversucht gelassen, um die öffentliche Meinung hinter sich zu 
bringen und damit Druck auf die jeweils andere Seite auszuüben.
Das war und ist für Journalisten nahrhaft, der Sache aber nicht 
dienlich. Gebraucht wird in Wahrheit mehr als ein Top-Manager. 
Gesucht wird eine neue Industriepolitik für NRW. Der Jobabbau bei der
Bonner Telekom oder die Personalentwicklung bei den großen 
Versicherungen des Landes beweisen, dass "Strukturwandel" ein 
dauerhafter Prozess ist. Anderslautende Erfolgsmeldungen der früheren
rot-grünen Landesregierung haben da zu einem falschen Gefühl der 
Sicherheit im Lande geführt. Umso problematischer ist es, dass die 
Debatte um die Zukunft der RAG in den Ruch geraten ist, allein eine 
persönliche Fehde zwischen Müller und Rüttgers zu sein. Diese Form 
der Betrachtung ist reichlich oberflächlich. Letztlich geht es um 
viel mehr als den Rachefeldzug eines Regenten gegen seinen 
Widersacher aus der Industrie. Gewiss: Rüttgers will den Skalp 
Müllers für seine Trophäensammlung. Vorrangig geht es aber um eine 
Definition dessen, was Industriepolitik in Zeiten der Globalisierung 
für NRW bedeutet. Immer wieder hat Rüttgers betont, dass das Land 
auch Industriestandort bleiben muss: "Wir können nicht alle davon 
leben, dass wir uns gegenseitig die Haare schneiden." Und der 
Christdemokrat mit "Arbeiterführer"-Anspruch will die industrielle 
Entwicklung des Landes nicht kampflos globalisierten Konzernen 
überlassen.
Rüttgers möchte auch deshalb in einer der Schaltzentralen künftiger 
industriepolitischer Möglichkeiten jemanden platzieren, dem er 
vertraut, der ihm aber vor allem den mittelbaren Zugriff auf 
finanzielle Mittel zur Umsetzung politischer Programme bietet. Dieses
Modell ist in Nordrhein-Westfalen nicht unbekannt: Es stammt von 
Johannes Rau. Das führt zu der Analyse, dass die häufige Bezugnahme 
des Christdemokraten Rüttgers auf den Sozialdemokraten Rau nicht nur 
Äußerlichkeiten meint, sondern tiefer geht. Man könnte den Eindruck 
bekommen, Rüttgers wehre öffentlich wortreich das alte Staats-Modell 
des Landesvaters mit Durchgriff auf die großen Unternehmen des Landes
ab, um es doch gleichzeitig anzustreben. Verdenken kann man es ihm 
nicht. Denn Landespolitik - eingeklemmt zwischen Berliner und 
Brüsseler Vorgaben  ist in ihrer Gestaltungskraft auf die 
Bildungspolitik beschränkt. Erfolgreiche Wirtschaftspolitik, damit 
zuerst die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen und später 
Wählerstimmen, muss der Regierungschef vor allem indirekt betreiben.
Einen strategischen Fehler des Systems Rau will Rüttgers in seinem 
NRW-Bauplan aber offenbar nicht wiederholen: auf landespolitischer 
Bühne eine Figur mit ähnlicher Machtfülle wie seiner eigenen zu 
dulden. Deshalb der Kampf gegen den Kohlestiftungsvorstand Müller, 
deshalb wohl auch die durchs politische Düsseldorf wabernden 
Gerüchte, der Fall RAG sei nur eine Etappe auf Rüttgers' Weg: Auch 
für West-LB-Chef Thomas Fischer könne es wegen angeblich nicht so 
guter Zahlen, unkooperativem Verhalten gegenüber der Landesregierung 
und den Skandalen in der Landesbank bald eng werden.
Rüttgers, so scheint's, hat jedenfalls seine Antwort auf die Frage 
nach dem Ruhrbaron gefunden. Er bemüht nicht die Theater-, sondern 
einen Klassiker der Filmgeschichte: "Highlander - es kann nur einen 
geben."

Pressekontakt:

Rückfragen bitte an:
Rheinische Post
Redaktion

Telefon: (0211) 505-2303

Original-Content von: Rheinische Post, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Rheinische Post
Weitere Storys: Rheinische Post
  • 25.05.2007 – 14:15

    Rheinische Post: Beck interveniert bei Merkel wegen RAG-Chef Müller

    Düsseldorf (ots) - Im Streit um den Vorsitz der neuen Kohle-Stiftung hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck am Donnerstagabend telefonisch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel interveniert. Das berichtet die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post (Samstagausgabe). Beck habe die Kanzlerin darauf hingewiesen, dass die fortgesetzten Angriffe auf RAG-Chef Werner Müller zu einer ernsthaften Belastung der Großen ...

  • 25.05.2007 – 14:15

    Rheinische Post: Beck intervenierte bei Merkel wegen RAG-Chef Müller

    Düsseldorf (ots) - Im Streit um den Vorsitz der neuen Kohle-Stiftung hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck am Donnerstagabend telefonisch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel interveniert. Das berichtet die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post (Samstagausgabe). Beck habe die Kanzlerin darauf hingewiesen, dass die fortgesetzten Angriffe auf RAG-Chef Werner ...