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Weser-Kurier: Zur Studie über die Wahlbeteiligung schreibt der "Weser-Kurier" (Bremen)in seiner Ausgabe vom 11. Juni 2013:

Bremen (ots)

Nein, eine Riesenüberraschung sind die Umfrageergebnisse der Bertelsmann-Stiftung nicht. Erschütternd sind sie trotzdem. Sie belegen, was zu erwarten und zu befürchten war: An der Wahlbeteiligung manifestiert sich die Zwei-Klassen-Gesellschaft. Benachteiligte haben keine Lobby und sind obendrein nicht in der Lage, selbst die eigenen Interessen zu vertreten. Kein Wunder: Wer das Gefühl hat, dass ohnehin kein Hahn nach ihm kräht, verstummt. Und wer nicht wählt, um den bemühen sich Politiker nicht. Das ist eine Sackgasse der parlamentarischen Demokratie und ein Rückfall in feudalistische Strukturen. Sicher verzichten Nichtwähler freiwillig darauf, ihren Einfluss geltend zu machen; freiwillig im weitesten Sinne: Wählen will gewissermaßen gelernt sein. Wem nicht klargemacht wird, dass im Wahllokal wahre Chancengleichheit herrscht und jede Stimme exakt genauso viel Gewicht hat wie die andere, behält sie für sich. Wer Politik nicht versteht, kann sich keine Meinung bilden. Doch Politik von heute, in all ihrer Komplexität, aber auch Konformität, wendet sich ausschließlich an Eliten, sie umwirbt potenzielle Wähler, potenzielle Finanziers und potenzielle Unterstützer. Und da jede Stimme, die überhaupt abgegeben wird, mehr und mehr an Gewicht bekommt, buhlen die Parteien um so mehr um ihre Klientel. So ist auch in diesem Sommer kaum damit zu rechnen, dass sich ein Bundespolitiker in Tenever oder der Neuen Vahr Nord blicken lässt. Die einen können nicht wählen, die anderen wollen nicht. Das ist der andere, nicht minder erschütternde Befund: Schon nach wenigen Jahren haben die Menschen in den neuen Bundesländern das Interesse an freien, geheimen und gleichen Wahlen verloren. Die Studie der Stiftung legt nahe, dass zweierlei dabei eine Rolle spielt: allgemeines Desinteresse und grundsätzliche Zufriedenheit. Ob Euro-Krise oder Energiewende, Hochwasser oder Rentenloch: Irgendwer wird sich schon kümmern, irgendwer wird es schon richten und schon sagen, was zu tun ist. Solche Ansichten sind nicht verboten, aber diese Art von Bequemlichkeit hat die parlamentarische Demokratie nicht verdient. Dazu wurde für sie zu viel Blut vergossen. Das ist nicht mal 70 Jahre her.

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