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Iraker verlieren die Hoffnung/ Umfrage von WDR/ARD, ABC News, BBC und USA Today zum 4. Jahrestag des Irakkriegs vermittelt düsteres Bild/ Mehrheit hält Anschläge gegen Besatzungstruppen für legitim

Köln (ots)

Vier Jahre nach dem Sturz Saddam Husseins bestimmen
zunehmend Resignation und Traumatisierung die Stimmung unter den 
Irakern.  Das ist das Ergebnis einer umfangreichen Umfrage unter mehr
als 2000 Irakern, die das Meinungsforschungsinstitut "D 3 Systems" im
Auftrag von WDR/ARD, ABC News, BBC und der Zeitung USA Today 
durchgeführt hat.
In einer von Gewalt und einem fast vollständigen Zusammenbruch der 
zivilen Infrastruktur geprägten Gegenwart glaubt nur noch eine 
Minderheit (42 %) der Befragten, dass es ihre Kinder einmal besser 
haben werden. Kurzfristig rechnet sogar nur etwas mehr als ein 
Drittel der Iraker damit, dass sich ihre Situation deutlich (12 %) 
oder teilweise (23 %) verbessert. Bei früheren Umfragen in den Jahren
2004 und 2005 hatten noch rund 80 Prozent der Befragten mit 
Optimismus in die Zukunft geblickt. "Hier hat sich in den letzten 
Monaten eine dramatische Veränderung ergeben", erläutert Arnd Henze, 
stellvertretender Leiter Programmgruppe Ausland, der die Umfrage für 
den WDR betreut hat. "Bis Ende 2005 haben die Menschen vieles 
ertragen, weil sie nach den Wahlen in ihrem Land auf einen Neuanfang 
hofften. Diese Hoffnung ist bitter enttäuscht worden."
Gewalt bestimmt den Alltag, Zustimmung zu Anschlägen auf Besatzer
Als dringlichstes Problem erleben die Iraker die fehlende Sicherheit 
im Lande.
74 Prozent der Befragten fühlen sich in ihrer eigenen Nachbarschaft 
nicht sicher - mehr als doppelt so viele wie bei der letzten Umfrage 
im November 2005. Eine große Zahl von Irakern gibt an, dass  
Angehörige im eigenen Haushalt (17 %) oder im engsten Familien- und 
Freundeskreis außerhalb des eigenen Haushalts (47 %) unmittelbar 
Opfer von Gewalt wurden.
Die Hauptschuld dafür wird den USA und Präsident Bush zugerechnet (40
%), gefolgt von Al Quaida und ausländischen islamistischen Kämpfern 
(18 %).
82 Prozent der Befragten haben kein Vertrauen in die 
Besatzungstruppen, mehr als drei Viertel (78 %) lehnen ihre 
Anwesenheit ab bzw. halten sie für eine wesentliche Ursache für die 
Gewalt im Lande (69 %). Allerdings befürworten nur 35 Prozent einen 
sofortigen Abzug, während eine Mehrheit die ausländischen Truppen 
erst ziehen lassen will, wenn sich die Sicherheitslage verbessert hat
und die irakischen Sicherheitskräfte dies garantieren kann.
Arnd Henze: "In diesem Widerspruch kommt die ganze Hoffnungslosigkeit
zum Ausdruck: Der gegenwärtige Zustand ist unerträglich, aber die 
Alternative eines schnellen Abzugs weckt noch größere Ängste."
In diesem Spannungsverhältnis finden Anschläge auf Besatzungstruppen 
erstmals die Zustimmung einer Mehrheit der Bevölkerung: 51 Prozent 
der Iraker (94 % der Sunniten) halten Angriffe für legitim, eine 
Verdreifachung gegenüber 2004.
Nur eine Minderheit von 36 Prozent glaubt, dass die Hinrichtung von 
Saddam Hussein den Versöhnungsprozess im Irak voranbringen wird, 
während eine Mehrheit von 53 Prozent (bei den Sunniten 96 %) vom 
Gegenteil überzeugt ist. In dieser, wie in einer Reihe weiterer 
Fragen, kommt eine extreme Polarisierung zwischen Sunniten und 
Shiiten zum Ausdruck.
Zivile Infrastruktur weitgehend zusammen gebrochen
Neben der anhaltenden Gewalt bestimmt der Zusammenbruch der zivilen 
Infrastruktur den Alltag der Menschen. In allen Bereichen des 
täglichen Lebens wird die Situation heute als dramatisch schlechter 
empfunden als in den Jahren 2004 und 2005. Bis zu 88 Prozent der 
Befragten beschreiben die Versorgung mit Strom und Wasser, das 
Gesundheitssystem und die Schulen, die Arbeitsmöglichkeiten und 
lokalen Verwaltungen als schlecht bis sehr schlecht. In keinem dieser
Bereiche findet sich eine Mehrheit, die auch nur graduelle 
Verbesserungen innerhalb des nächsten Jahres erwarten würde.
Die Umfrage von WDR/ARD und Partnern fragt erstmals nach den 
charakteristischen Symptomen traumatischer Erkrankungen wie 
Schlafstörungen, Konzentrationsstörungen, Wut und Depressionen. 71 
Prozent der Befragten bejahten  mindestens drei von vier Symptomen. 
Arnd Henze: "Die Hoffungslosigkeit hat alle Lebensbereiche erfasst. 
Das macht die Menschen krank."
Fast jeder Dritte will das Land verlassen
30 Prozent der Befragten  würden am liebsten den Irak verlassen. Aus 
dieser Gruppe geben 42 Prozent an, die Auswanderung konkret zu 
planen. Auf die Bevölkerungszahl von 25 Millionen hochgerechnet, sind
das mehr als drei Millionen weitere Flüchtlinge. Arnd Henze: "Bedenkt
man, dass schon jetzt fast
zwei Millionen Iraker in die Nachbarländer geflohen sind, so muss 
sich die Weltgemeinschaft, vor allem aber auch Europa, auf den 
größten Massen-Exodus der letzten Jahre einstellen."
Unklarheit über den weiteren politischen Weg des Landes
Mit Blick auf die weitere politische Entwicklung zeichnet die Umfrage
ein gespaltenes Bild der Stimmung im Irak. Eine deutliche Mehrheit 
(58 %) möchte an der Einheit des Landes festhalten, nur 14 Prozent 
befürworten eine Spaltung des Irak in drei unabhängige Staaten. 
Entgegen der gewünschten Struktur rechnen allerdings deutlich mehr 
(23 %) Befragte damit, dass es innerhalb der nächsten fünf Jahre zur 
Spaltung des Landes kommen wird. Angesichts der Probleme im Land 
befürwortet nur noch eine Minderheit von 43 Prozent eine 
demokratische Regierungsform, während 34 Prozent einen einzelnen 
"Starken Führer" und 22 Prozent einen religiös-islamischen Staat 
wünschen. Auf längere Sicht gewinnt die Demokratie allerdings wieder 
mehr Anhänger (53 %). Arnd Henze: "Hier zeigt sich auf deutlich 
niedrigerem Niveau das gleiche Phänomen wie in den früheren Umfragen:
Demokratie erscheint als schönes Ideal - man traut ihr aber nicht die
Kraft zu, konkrete Probleme zu lösen."
WDR-Chefredakteur: Umfrage von hoher methodischer Genauigkeit
Die Umfrage wurde von dem auf den Nahen und Mittleren Osten 
spezialisierten Umfrageinstitut "D3 Systems" unter 2212 Irakern über 
18 Jahren durchgeführt. Die Interviewer, von denen fast alle schon an
früheren Umfragen beteiligt waren, wurden intensiv geschult und auf 
kulturelle und religiöse Sensibilitäten vorbereitet. Mehr als die 
Hälfte der Interviews, die auf der Grundlage der neuesten 
Bevölkerungsstatistiken von 2005 in mehr als 400 Orten und 
Stadtteilen in allen /-18 Provinzen des Irak durchgeführt wurden, 
wurde von Supervisoren per Telefon oder Hausbesuch auf ihre 
Genauigkeit hin überprüft. Aus zwölf der 18 Regionen melden die 
Interviewer erhebliche Behinderungen, Zwischenfälle und zum Teil 
heftige Kämpfe und Anschläge während der Befragungen. 
WDR-Fernseh-Chefredakteur Jörg Schönenborn, der die Ergebnisse der 
Umfrage am Montagabend in den Sendungen "Tagesschau" und 
"Tagesthemen" präsentieren wird, zeigte sich beeindruckt von der 
methodischen Genauigkeit und Professionalität der Umfrage: "Trotz der
extremen Bedingungen hält die Befragung strengsten demoskopischen 
Maßstäben stand. Das ist eine enorme logistische Leistung der 
Mitarbeiter im Irak." Die statistische Fehlerquote der Umfrage liegt 
bei 2,5 Prozent.
Hinweis an Redaktionen
Der vollständige Fragenkatalog kann unter www.tageschau.de eingesehen
werden. Bei Grafiken bitte auf die Quelle "ARD/ABC/BBC-Umfrage" 
hinweisen.
Der WDR stellt Fotos zur Verfügung, die diverse Interviewsituationen 
der Umfrage zeigen. Rückfragen zur Aufschlüsselung einzelner 
Antworten nach Regionen,
Bevölkerungs- und Religionsgruppen können an den zuständigen 
Redakteur Arnd Henze, Tel.0221/220 2382, gerichtet werden.

Pressekontakt:

WDR Pressestelle, Annette Metzinger, Tel. 0221 220 2770, -4605.

Original-Content von: ARD Das Erste, übermittelt durch news aktuell

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