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NDR Info exklusiv: Sanitäts-Offiziere prangern schwere Missstände vor Libanon-Einsatz an

Hamburg (ots)

In der Bundeswehr mehren sich kritische Stimmen
vor dem Libanon-Einsatz. Im Gespräch mit NDR Info haben mehrere 
Sanitäts-Soldaten auf Missstände in der Truppe aufmerksam gemacht. 
Wolfgang Petersen ist der Vorsitzende des Forums der 
Sanitäts-Offiziere. Der Oberarzt am Bundeswehrzentralkrankenhaus 
Koblenz muss ab Oktober in den Libanon - doch er sieht große 
Gefahren, "weil der Sanitätsdienst im Bereich der Bundeswehr am Ende 
ist. Wir können nicht mehr leisten. Es ist so, dass teilweise in den 
Kliniken die Operationssäle nicht mehr besetzt werden können, weil 
viele von uns im Ausland sind. Das heißt: Patienten, die hier 
dringend versorgt werden müssten, können nicht mehr versorgt werden. 
Wir können damit auch junge Kollegen gar nicht mehr weiter ausbilden,
weil wir nicht genügend Operationen hier durchführen können."
Petersen weist ausdrücklich darauf hin, dass er als 
Bundeswehroffizier aus rechtlichen Gründen über die Medien nur seine 
private Meinung wiedergeben darf. Nach seinen Worten haben weder die 
vorgesetzte Sanitätsführung noch die Politik die intern 
angesprochenen Probleme behoben. "Es ist so, dass dadurch auch die 
Qualität der Behandlung in Einzelfällen nachlässt", so Petersen auf 
NDR Info. Schon im Kosovo-Einsatz hatte die Bundeswehr seinen 
Aussagen zufolge zu wenig ausgebildetes Personal vor Ort. Petersen 
berichtet, dass ihm bei Operationen sogar eine Bäckergesellin 
assistieren musste. Auch Notärzte im Auslandseinsatz seien häufig zu 
schlecht geschult.
"Es ist zum Beispiel so, dass die Bundeswehr ein spezielles 
Konstrukt gebildet hat. Ich nenne es mal den Ersatz-Notarzt, der im 
Auslandseinsatz mit einer sechswöchigen Ausbildung im Notfall auch 
schwerstverletzte Menschen versorgen muss. Das ist aus meiner Sicht 
eine sehr fragwürdige Methode, weil man inzwischen in vielen 
Bundesländern für den Notarztjob eine dreijährige Ausbildung 
braucht."
Ähnlich scharf äußert sich der Arbeitskreis Darmstädter Signal. 
Oberstleutnant Jürgen Rose aus München ist Mitglied in dieser 
Vereinigung bundeswehr-kritischer Soldaten. In dieser Funktion wirft 
Rose der Bundesregierung vor, Sanitätssoldaten im Ausland an die 
Waffe zu zwingen und damit gegen das Völkerrecht zu verstoßen. "Dass 
man jetzt sogar, vom Bundesverteidigungsministerium angeordnet, 
Sanitäter hinters Maschinengewehr legt, also zur infanteristischen 
Feldlagersicherung einsetzt, stellt einen ganz klaren Verstoß gegen 
die Genfer Abkommen und die Zusatzprotokolle von 1977 dar", so Rose 
auf NDR Info. Die Soldaten im Arbeitskreis Darmstädter Signal sind 
gegen einen Libanon-Einsatz der Bundeswehr und fordern die 
Bundesregierung auf, sofort zum humanitären Völkerrecht 
zurückzukehren.
Die Bundeswehr war auf Anfrage von NDR Info zu den jüngsten 
Vorwürfen bislang zu keiner Stellungnahme bereit.
Rückfragen beantwortet Andreas Flocken, Reporter-Pool NDR Info, 
Telefon: 040/4156-2861.
20. September 2006/RC
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Telefon: 040 / 4156 - 2300
Fax: 040 / 4156 - 2199

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