Der große Erziehungstest: Jörg Pilawa testet Deutschlands Eltern und Lehrer Sendetermin: Donnerstag, 2. Juni, 20.15 Uhr, Das Erste
Hamburg (ots)
War diese Reaktion wirklich richtig? Mütter und Väter grübeln, die Großeltern wundern sich, derweil sich Kindergärtner, Lehrer und Erzieher über ihre Entscheidungen in Sachen Umgang mit den Kids die Köpfe heiß reden. Jörg Pilawa, selber Vater dreier Kinder, lädt angesichts der großen Verunsicherung am Donnerstag, 2. Juni, im Ersten zum großen Erziehungstest. 240 repräsentativ ausgewählte Kandidaten aus den Gruppen werdende Eltern, Eltern, Großeltern, Kinderlose, Lehrer und Allein-Erziehende werden live in einem Hamburger Fernsehstudio spannende Fragen rund um die alltäglichen Erziehungssituationen beantworten. Dazu gibt es Einblicke in das Familienleben von fünf prominenten Paaren wie Johannes B. Kerner und Frau Britta Becker, Joachim Fuchsberger und Frau Gundula, Rudi Assauer und Simone Thomalla, Sky du Mont und Mirja sowie Familienministerin Renate Schmidt und Jürgen Fliege. Die Fernsehzuschauerinnen und -zuschauer können live mitspielen und ihre pädagogischen Fähigkeiten testen.
Erarbeitet wurde der Test von Elterntrainern auf der Basis ihrer langjährigen Erfahrungen in der praktischen Arbeit mit Erziehenden. Als wissenschaftlicher Berater fungierte der anerkannte Erziehungswissenschaftler Klaus Hurrelmann(61), Universität Bielefeld.
Es mag zwar kein richtig oder falsch in Sachen Erziehung geben, aber es gibt immer einen besten Weg. Welche der Kandidatengruppen wird diesem Königsweg der Erziehung am nächsten kommen? Und welches Prominenten-Paar hat in Sachen Kindererziehung noch Hausaufgaben zu erledigen? Beim großen Erziehungstest des NDR dürfte nicht nur für gute Unterhaltung, sondern auch für reichlich Diskussionsstoff in den Familien gesorgt sein.
Erziehe nach klaren Regeln, bleibe konsequent
Interview mit Erziehungswissenschaftler Professor Klaus Hurrelmann, Universität Bielefeld, wissenschaftlicher Berater für Der große Erziehungstest
Frage: Viele unserer Kinder sind heute doch nur noch verwöhnt, sitzen am Computer oder vor dem TV-Gerät und sind alles andere als leistungsbereit?
Prof. Klaus Hurrelmann: Das kann ich auf der Basis von objektiven Untersuchungen ganz und gar nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil: Viele Jungen und insbesondere sehr viele Mädchen erreichen heute bessere Schulabschlüsse als ihre Eltern. Die Annahme der Elterngeneration, die nachfolgende Generation sei nicht so leistungsfähig, ist ein Wahrnehmungsmuster und hat nur sehr bedingt etwas mit der Realität zu tun. Salopp gesprochen: Die Klage über den missratenen Nachwuchs findet sich zu allen Zeiten, gestimmt hat sie selten oder nie.
Dann steht ja alles zum Besten in Sachen Erziehung der folgenden Generation, in Sachen Bildung und damit auch mit der Zukunft unserer Gesellschaft.
Das habe ich nicht gesagt. Die Diskussion über Bildung nach den Ergebnissen der PISA Studie, die Diskussion über die richtige Art der Erziehung, die allerorten geführt wird, sind ein deutliches Zeichen, dass heute Eltern Probleme mit der Erziehung haben. Eine Sendung wie Der große Erziehungstest ist doch nur möglich, weil es hier viele offene Fragen gibt.
Glauben Sie, dass TV-Sendungen wie Die Super Nanny oder auch Der große Erziehungstest den Eltern vor dem TV-Bildschirm bei ihren Problemen helfen können?
TV-Sendungen zum Thema Erziehung können sicher für die Thematik sensibilisieren, Ideen liefern, Gespräche anregen. Auf keinen Fall darf eine solche TV-Sendung mit Erfolgsrezepten ankommen. Ein Kochbuch in Sachen Erziehung gibt es nicht. Unsere Fragen bei Der große Erziehungstest gehen auf Schlüsselsituationen, wie sie in jeder Eltern-Kind-Beziehung vorkommen. Mit den Antworten präsentieren wir verschiedene Lösungsansätze, von denen wir einen für sinnvoll halten. Denken Eltern, Erzieher, Kindergärtnerinnen während der Sendung über die möglichen Lösungsansätze nach, ist doch schon viel gewonnen.
Was hat sich verändert im Verhältnis Eltern-Kind, dass Erziehung zum Thema nicht nur einer TV-Sendung werden kann?
Unsere Kinder sind heute überwiegend Wunschkinder. Mann und Frau sprechen über das Thema Kind, entscheiden sich bewusst, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für das Kind ist. Damit wird dieses Kind zu etwas ganz Kostbarem. Eltern versuchen, in der Beziehung zu diesem oft einzigen Kind ganz hohe Ideale zu leben und werden dadurch in dem Verhalten gegenüber ihrem Kind unsicher, uneindeutig. Das Kind lernt diese Eltern nicht mehr als Autorität kennen, die eindeutige Regeln setzt, diese sicherlich auch begründet, vor allem aber auf die Einhaltung dieser Regeln achtet. So wird die Beziehung Eltern- Kind schnell zu einem Kampf, in dem sich das Kind an keinerlei Regeln hält.
Und provoziert damit seine Eltern bis zur puren Verzweifelung.
Die heutige Elterngeneration hat den radikalen Wandel der Verhaltensweisen erlebt, den wir heute mit dem Schlagwort 68er Generation kennzeichnen. Autoritäre Erziehung wurde allenthalben und das zu Recht angeprangert. Aber in dieser Diskussion wurde nicht hinreichend unterschieden zwischen autoritär und Autorität. Um ja nicht als autoritär zu erscheinen, fürchteten sich viele Eltern davor, ihren Kindern gegenüber als Autorität aufzutreten.
Also zurück zum Vater, der immer der strenge Vater ist?
Auf keinen Fall. Aber Eltern, die auf keinen Fall autoritär sein wollen, müssen dennoch zur rechten Zeit ihre soziale Rolle als Mutter und Vater eben als Autoritäten dem Kind gegenüber einnehmen. Nur so können die Eltern heute ihrem Kind in der Erziehung das Rüstzeug für den späteren Lebensweg mitgegeben. Nur so kann das Kind lernen, sich an Regeln zu halten, die die Organisation des eigenen Lebens und ein Leben in der Gemeinschaft erst ermöglichen.
Aber wenn das Kind nun einmal keine Hausaufgaben macht?
Es ist schon anstrengend, im Umgang mit dem Kind klare Spielregeln zu vertreten. Das bedeutet, im Alltag immer wieder die Regeln aufzustellen, zu erklären. Eltern müssen vor allem die Schlüsselsituation erkennen, in denen sie auf jeden Fall auf der Einhaltung der Regeln bestehen müssen. Eltern müssen um auf ihr Beispiel zurückzukommen gemeinsam mit dem Kind einen Plan erarbeiten, wann die Hausaufgaben gemacht werden. Und sie müssen dann auch überprüfen, ob dieser Plan auch eingehalten wird. Sie müssen bereit sein, Strafen durchzusetzen, wird dieser Plan nicht eingehalten. Es ist entscheidend wichtig, nicht an der falschen Stelle loszulassen.
Aber vielen Eltern fehlt einfach die Kraft, in diesem Sinne konsequent zu sein?
Das stimmt. Aber es kostet unendlich viel mehr Kraft, sich mit einem Kind auseinander zu setzen, das nicht gelernt hat, sich an die Regeln in der Familie zu halten. Wer bereit ist, seine Rolle als Vater oder Mutter einzunehmen, wird erleben, dass Erziehung Spaß machen kann und das gemeinsame Leben mit dem Kind eine Freude ist, die Kraft gibt.
Richtig erziehen kann man also lernen?
Die Erfahrung vieler Elternkurse zeigt: 1. Bleibe gegenüber deinen Kindern die Persönlichkeit, die du bist! 2. Spiele zur rechten Zeit die soziale Rolle Vater oder Mutter. Und das bedeutet, erziehe nach klaren Regeln, bleibe konsequent. Es gibt kein Kochbuch in Sachen Erziehung, das wäre ja auch schrecklich. Aber es gibt handwerkliche Fähigkeiten, die jeder erlernen kann.
Das Interview führte Enno Wiese.
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1. Juni 2005/IB
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