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Neue Westfälische (Bielefeld): Kommentar Österreichs umstrittene Pläne zur doppelten Staatsbürgerschaft Brüchiges Südtiroler Gleichgewicht Julius Müller-Meiningen, Rom

Bielefeld (ots)

Österreichs umstrittene Pläne zur doppelten Staatsbürgerschaft Brüchiges Südtiroler Gleichgewicht Julius Müller-Meiningen, Rom Es ist bald 100 Jahre her, dass das Königreich Italien zum Ende des Ersten Weltkriegs das Gebiet südlich des Brenners annektierte und es Österreich-Ungarn abnahm. Seither ist Südtirol italienisch, es hat lange gedauert bis sich dieses Gefälle in Gefallen aufgelöst hat. Dieser Prozess hat mehr als 70 Jahre gedauert und ist noch nicht abgeschlossen. Immer wieder lodern Spannungen auf, die ihren Ursprung in der Vergangenheit haben. Wenn nun die neue österreichische Regierung den deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern anbietet, sie könnten den österreichischen Pass beantragen, stellt sich folgende Frage: Trägt diese Maßnahme zur Heilung alter Wunden bei oder reißt sie Narben wieder auf? Nationalismus ist der letzte Schrei auf dem Markt der politischen Offerten. Zu beobachten ist das von den USA bis Katalonien, von Großbritannien bis zum Balkan. Österreich liegt da ganz im Trend. In Südtirol richtet sich das bislang noch nicht konkretisierte Angebot der österreichischen Regierung an 350.000 Menschen und damit an Zweidrittel der Bevölkerung. Hinter der Maßnahme steckt Spannung, nicht Entspannung. Selbst wenn dem Angebot berechtigte Motive, wie Gerechtigkeit oder Pflege eines Zugehörigkeitsgefühls zugrunde lägen, muss Italien die vom Nachbarstaat unilateral angebotene doppelte Staatsbürgerschaft als Sabotage seiner staatlichen Souveränität auffassen. Es ist eine Illusion, wenn man glaubt, Unrecht von vor 100 Jahren könne mit einem solchen Zugeständnis beseitigt werden. Im insgesamt erfolgreichen, aber immer noch brüchigen Südtiroler Gleichgewicht steht der Doppelpass für ganz andere Botschaften. Er befriedet nicht den inneren Konflikt, sondern befeuert eine separatistische Sehnsucht wie sie sich früher auch in anderen Formen Bahn gebrochen hat. Nimmt man die Methoden in den Blick, die Italien in Südtirol angewendet hat, kann man sich darüber kaum wundern. Der Annexion folgten die brutale Zwangs-Italianisierung und 1939 die traumatische "Option" für die Bewohner, ins Deutsche Reich überzusiedeln. Heute ist es mithilfe politischer Kompromisse und dem Autonomiestatut von 1972 gelungen, das Unrecht in eine zivile Koexistenz umzuwandeln. Der Minderheitenschutz in Südtirol ist beispielhaft. Das früher verbreitete Gefühl der Staatenlosigkeit hat sich bei vielen Südtirolern in ein selbstverständliches Zugehörigkeitsgefühl verwandelt. Der österreichisch-italienische Doppelpass würde alte Gräben aufreißen.

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