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Neue Westfälische (Bielefeld): Pro & Contra zum Thema LATINUM-PFLICHT IM LEHRAMT

Bielefeld (ots)

Zur Absicht der NRW-Regierung, das Latinum in der Lehrerausbildung auf den Prüfstand zu stellen, hier ein Pro & Contra. Für den Erhalt des Latein-Nachweises plädieren in Originalsprache - mit beigefügter Übersetzung - unsere Gastautoren, die Lateinlehrer Ingo Köhne und Peter Zimmermann, dagegen unser Redakteur Bernhard Hänel.

PRO

Magnum periculum INGO KÖHNE (BONN) UND PETER ZIMMERMANN (KÖLN) Quo vadis, humanitas? Magnum periculum matri linguarum instare, tristem pernicies studiis doctrinarum impendere, insidias artibus liberalibus collocari nobis animadvertendum est. Consilio enim examinis linguae Latinae tollendi, quod heri compertum est, non solum aditus ad universitates nostras aperietur, sed etiam levissime immolabitur humanitas multa per saecula probata in ara rationis oeconomici. Magistratus quidem nostri meliora petunt, adsequentur autem peiora. Quam immemores maiorum nostrorum isti sunt, qui thesauros litterarum sine scientia linguae Latinae adipiscendos esse credant? Hic verba Bernardi Carnotensis reminiscenda sunt: nos quasi nanos esse in umeris sedentes gigantum. Vertices enim scientarum videre possumus, quia auctorum in umeris veterorum stamus. Mox quidem tantum nani erimus, nisi tempora aut mores mutantur. Quo usque tandem abutere, pernicialis simplicitas, finibus nostris?

Übersetzung:

Wohin gehst du, Bildung? Es ist mit großer Gefahr für die Mutter der Sprachen zu rechnen, mit traurigem Verderben für die universitären Studien, mit weiteren Hinterhalten, lauernd auf die Freien Künste. Durch den Plan, die Latinumspflicht aufzugeben, wovon man gestern erfuhr, wird nicht nur der Zugang zu unseren Universitäten eröffnet, sondern es wird auch vollkommen leichtsinnig die durch viele Jahrhunderte hindurch bewährte Bildung auf dem Altar ökonomischer Erwägung geopfert. Unsere Regierung strebt so freilich nach Besserung der Situation - sie wird indes deren Verschlechterung erreichen. Wie können sie nur so unsere Vorfahren vergessen, sie, die da glauben, die Schätze der Geisteswissenschaften seien ohne Kenntnis der lateinischen Sprache zu erlangen? An dieser Stelle muss man sich unweigerlich an die Worte des Bernhard von Chartres erinnern: dass wir wie Zwerge sind, die auf den Schultern von Riesen sitzen. Die Höhen des Wissens können wir nämlich nur sehen, weil wir auf den Schultern unserer alten Autoren stehen. Bald aber werden wir nur noch Zwerge sein, wenn sich nicht Zeiten und Sitten wieder ändern. Bis zu welchem Ende strapazierst du unser Land, verderbliche Einfalt?

CONTRA

Gelehrt, aber nicht zwingend BERNHARD HÄNEL Nec scire fas est omnia", sagte einst Horaz. Es ist unmöglich, alles zu wissen. Mit solch gebildeten Redensarten lässt es sich prächtig prahlen - zumindest unter Akademikern. Ohne dass es besonderer Werbung bedurfte, ist seit Ende der 90er Jahre die Zahl der Schüler um 30 Prozent gestiegen, die Merksätze lernen wie: "A, ab, abs, e, ex, de, cum und sine, pro und prae stehen immer mit dem Ablativ." Freiwillig oder zumindest aus Folgsamkeit gegenüber den Eltern. Denn schon die Römer sagten: Ita tractate parentes vestros, ut decet (Behandelt eure Eltern so, wie es sich geziemt). Doch all die klugen und gelehrten Sprüche sind kein hinreichender Nachweis dafür, dass eine Latinums-Pflicht für Lehramtsstudierende geboten ist. Lateinkenntnisse sind keinesfalls schädlich, doch die fachliche Notwendigkeit für die in der Lehramtszugangsverordnung festgelegten Fächer ist zumindest fraglich. Auch ohne Lateinkenntnisse kann man ein guter Deutsch- oder Geschichtslehrer sein, wie man niemandem sein Menschsein absprechen kann, nur weil er kein Humanist ist. Auch in Medizin und Pharmazie ist längst kein Latinum mehr erforderlich. Und ob ein Latinum und Graecum oder Hebraicum für ein Religionsstudium zwingend sein muss, ist seit der vortrefflichen Bibelübersetzung Martin Luthers keine offene Frage. Denn es ist ohnehin unmöglich, alles zu wissen.

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