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Söder macht sich locker/Es ist richtig, jetzt viele Einschränkungen aufzuheben. Das Sicherheitsnetz ist stärker. Doch es bleiben offene Aufgaben und ein kleiner Beigeschmack. Von Christine Schröpf

Regensburg (ots)

Ministerpräsident Markus Söder - bisher in der Corona-Krise Speerspitze der Abteilung "Umsicht und Vorsicht" - macht sich locker. Die neuen Erleichterungen sind speziell der Fußball-EM zuzuschreiben, bei der Fans in die Stadien drängen und Public Viewing samt Hygieneregeln schwer mit der Halbzeit abzupfeifen ist. Im Domino-Effekt profitieren Kultur, Gastronomie und weitere Bereiche. Das ist gut so. Anders wäre es auch niemandem zu vermitteln gewesen.Trotzdem bleiben ungelöste Aufgaben, die anzupacken sind, damit die Leichtigkeit des Sommers nicht wie vergangenes Jahr in einen ernüchternden Herbst mündet. Denn die Corona-Pandemie ist längst nicht vorüber, sosehr man sich das wünscht. Das zeigt ein Blick in andere Länder der Welt, in denen auch neue Mutationen zu beobachten sind. In Bayern und Deutschland ist die aktuelle Lage dennoch so gut, dass härteste Einschränkungen nicht mehr zu begründen sind.Speziell auch weil die Voraussetzungen im nun zweiten Corona-Sommer deutlich besser sind: Die Zahl der Geimpften steigt - bei ihnen ist selbst im seltenen Fall einer Infektion mit einem milden Verlauf zu rechnen. Die große Zahl der Genesenen ist ebenfalls weitgehend immun. Für alle anderen gilt: Die Sieben-Tages-Inzidenzen sind so niedrig, dass das Risiko, einem Infizierten zu begegnen, überschaubar geworden ist. Das inzwischen dichte Netz an kostenlosen Testmöglichkeiten sorgt zudem dafür, dass etwaige Corona-Herde zumindest früh zu begrenzen sind. Grundsätzlich muss immer gelten: Regeln sind kein Selbstzweck. Dort, wo Infektionen momentan unwahrscheinlich sind, muss auch nichts verboten werden. Sonst schwindet die Akzeptanz.Die geplanten Lockerungen gehen weit. Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger hatte schon lange darauf gedrängt und in den vergangenen Tagen den Druck noch einmal erhöht. Für ihn muss es sich wie ein Sieg anfühlen. Für Söder ist es dagegen ein Kurswechsel - mag er es noch so sehr mit der entspannteren Corona-Situation rechtfertigen. In der Vergangenheit hatte er Fußballfans in Stadien speziell wegen der unkalkulierbaren Kontakte bei der Anreise immer als zu hohes Risiko eingestuft und die gleiche Messlatte bei dem zahlenmäßig weit überschaubareren "Click und Meet" und "Click und Collect" im Einzelhandel angelegt. Auch an den Schulen hatte man Optionen nie ausgereizt - oder beim "kleinen" Vereinssport. Es ist offenbar stets der große Fußball, der Politiker in Sachen Corona am schnellsten in die Offensive bringt.Doch blicken wir nach vorne: Die jetzt möglichen größeren Veranstaltungen unter freiem Himmel sollten auch als Studienfeld genutzt werden. Wissenschaftler müssen überwachen, wo Infektionsrisiken bleiben, um Sicherheitskonzepte anzupassen. Interessant wäre auch, mit welchen Mechanismen sich Eigenverantwortung gerade in großen Gruppen hochhalten lässt. Denn wer ehrlich ist, streitet nicht ernsthaft ab, dass es sehr verführerisch ist, in das Vor-Corona-Verhalten zurückzufallen.Profitieren würden vom Locker-Lassen mit Verstand alle Bürger. Umsicht wird im Herbst bei tendenziell wohl steigenden Inzidenzen wieder höheren Stellenwert haben. Schulen müssen bis dahin mit Luftfiltern aufgerüstet sein, damit es viel Präsenzunterricht gibt. Bei einem weiteren Schuljahr mit viel Distanz wäre endgültig Feuer auf dem Dach. Ein Notbremse-Mechanismus muss parat sein, um im Zweifel zügig und konsequent gegenzusteuern, bevor Zahlen wieder in den 200er- oder 300er-Bereich schießen. Jeder weiß jetzt, wie elend lange es dauert, um wieder zurück auf ein niedriges Level zu kommen. Es wird von jedem Einzelnen abhängen, wie oft wir diesen Jo-Jo-Effekt erleben.

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