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Mittelbayerische Zeitung: Europäischer Herbst Der Euro ist in Not. Doch die Retter erwecken nicht den Eindruck, als hätten sie alles unter Kontrolle. Leitartikel von Patricia Dudeck

Regensburg (ots)

Stellen sie sich vor, es ist Eurokrise und Brüssel macht Urlaub - wie immer im August. Doch die Finanzmakler spekulieren weiter und verlangen von Spanien und Italien hohe Zinsen samt Risikoaufschlag für frisches Geld. Die ewige Unsicherheit, ob Griechenland den Euro behält, schreckt Investoren ab. Die Euroretter müssen also auch in den Ferien ran, um zu zeigen: Alles unter Kontrolle. Doch das gelingt ihnen nicht. Währungskommissar Olli Rehn eilte vergangenen Sommer mitten in den Ferien nach Brüssel, um die Anleger zu beruhigen. Dieses Jahr schickten die Staats- und Regierungschefs Merkel, Hollande und Monti die Botschaft: "Wir würden alles für den Euro tun". Doch das senkt die Zinsen nicht auf ein erträgliches Maß, bis der ESM helfen kann. Wenn dagegen EZB-Chef Mario Draghi das gleiche sagt, scheint das noch bare Münze wert zu sein. Offenbar hat sein Wort noch Macht über die Finanzmärkte. Schon nach vagen Andeutungen vor dem EZB-Treffen entspannte sich die Lage. Doch gestern enttäuschte er Anleger und Krisenländer - die nächsten Wochen passiert wohl erst einmal nichts. Prompt stürzen die Kurse in den Keller. Stattdessen weist Draghi die Regierungen auf ihre Pflichten hin. Die EZB könne politisches Handeln nicht ersetzen. Richtig. Doch Gelddrucken und künstlich verbilligte Zinsen ändern nichts an der Ursache allen Übels. Staaten müssen ihre Schuldenberge abbauen und auf lange Sicht gut wirtschaften. Ohne verbindliche Gegenleistungen ändern die Regierungen erfahrungsgemäß kaum ihre Haushaltsstrategie. Andererseits sieht man in Portugal, dass die Wirtschaft trotz hochgelobter Reformen strauchelt - der Staat nahm im ersten Halbjahr deutlich weniger Steuern ein als geplant, das Defizit bleibt hoch. Davor fürchten sich die griechischen Sozialisten und fordern mehr Zeit zum Sparen. Zwei Jahre würde die Geldgeber aber weitere 50 Milliarden kosten. Wenn sie es wirklich auf ein drittes Hilfspaket anlegen, müssen sie extreme Reformbereitschaft zeigen und Steuern eintreiben, sonst springt der IWF ab - und mit ihm die Finnen und Niederländer. Bis Ende August wird nun aber erst mal über die Fortzahlung des zweiten Pakets verhandelt. Im September folgt der offizielle Bericht. Ohne Erfolgsaussichten fließt keine Hilfsrate mehr - Staatsbankrott. Schon im August schuldet die Regierung der EZB 3,2 Milliarden Euro für eine auslaufende Anleihe und in der Barkasse Athens herrscht gähnende Leere. Doch ohne glaubwürdigen Sparplan gibt es keine Überbrückungsfinanzierung. Die Schicksale der Euroländer hängen eng zusammen. Und offene Rechnungen treiben die Regierungschefs voran. Auch Mario Monti. Der muss sich in der zweiten Jahreshälfte 90 Milliarden Euro leihen. Draghi riet ihm gestern quasi schon mal, die Anträge für Anleihenkäufe der Rettungsfonds vorzubereiten, die EZB werde dann Papiere "im ausreichenden Umfang" erwerben, die bereits auf dem Markt gehandelt werden. Also doch, ein Großeinkauf mit all seinen Risiken. Streit ist vorprogrammiert. Und wer stimmt nun die Anleger bis September milde? Denn dann erst klären sich die Fragen um den ESM-Vertrag. Solange können die Politiker keine großen Entscheidungen treffen. Blockt das Karlsruher Verfassungsgericht am 12. September, müssten andere Geldquellen her - ein Thema für das informelle Treffen der Eurogruppe zwei Tage später. Und falls der neue Rettungsfonds startet, müssen sie klären, wie sie Spanien neben der Bankenhilfe mit einem Staatsprogramm unterstützen, ohne den Rettungsfonds gleich völlig leerzuräumen. Spanien macht wohl mittelfristig schlapp und das würde auch Italien mitreißen. Wird die EZB dem ESM dann doch Geld leihen dürfen? Uns erwartet ein Herbst voller schwerer Entschlüsse.

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