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WAZ: Indien holt auf - Von Globalisierung und Gerechtigkeit - Leitartikel von Thomas Wels

Essen (ots)

Vier der zehn reichsten Menschen der Welt stammen
aus Indien, einem Land, in dem es nach wie vor bitterste Armut gibt, 
in dem Menschen ihre Kinder verkaufen, um zu überleben. Sind also die
vier superreichen Inder wieder einmal ein Hinweis auf die Schrecken 
der globalen Haifisch-Ökonomie, die wenigen zum Vorteil, aber vielen 
zum Nachteil gereicht?
Wohl kaum. Indien ist ein Beispiel dafür, dass die 
Internationalisierung, das Zusammenwachsen der Welt Chancen eröffnet 
für die Ärmeren, wenn auch nicht für alle von ihnen. Es gibt nichts 
zu beschönigen. Ein Großteil der indischen Landbevölkerung lebt in 
Armut und Chancenlosigkeit. Allerdings sind unter den 1,1 Milliarden 
Indern inzwischen an die 300 Millionen, die
 zu einer gut ausgebildeten Mittelschicht zählen. Und die ist es, die
den Indern Mut macht.
Gewiss, die Kluft zwischen Arm und Reich ist enorm groß, so groß,
dass wir sie uns hier zu Lande nicht vorstellen können. Ist das nun 
gut oder ist das schlecht? Oder anders gefragt: Ist das gerecht? Der 
US-Philosoph John Rawls hält Ungleichheit durchaus für gerecht, 
allerdings nur dann, wenn die Ärmsten den größten Vorteil davon 
tragen. Das ist eine so kluge Betrachtung, dass Rawls die 
Ungleichheit bei Sozialdemokraten salonfähig gemacht hat.
Nun ist ein Vorteil ökonomisch gesehen immer relativ. Einer der 
nichts hat, hat mit wenig schon einen großen Vorteil. Will sagen: 
Wenn die Ungleichheit wächst, die Mittelschicht zunimmt, dann kann 
das auch den Ärmsten nützen. In jedem Fall aber nimmt der Wohlstand 
in Indien und auch in China so weit zu, dass er nicht nur der 
indischen oder chinesischen Mittelschicht Mut macht, sondern der 
deutschen Angst. Auch das heißt Globalisierung: Wenn der Wohlstand 
der Welt um vier Prozent wächst, zugleich aber die Volkswirtschaften 
in China und Indien um acht bis zehn Prozent, dann heißt das: Die 
Welt teilt sich in Gewinner und Verlierer. Deutschland wächst mit gut
zwei Prozent - gemessen an den Asiaten zählen wir zu den Verlierern.
Ein wachsender Wohlstand von 300 Millionen Indern - es sei ihnen 
gegönnt - setzt Arbeitnehmer in Deutschland unter Druck. Eine ganze 
Textilindustrie ist abgewandert. Nun hat die Globalisierung 
vielleicht diese befremdliche Folge: Vielen hundert Millionen der 2,5
Milliarden Chinesen und Indern geht es sehr viel besser, zu Lasten 
von einigen Millionen Deutschen. Gerecht?

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Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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