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Börsen-Zeitung: Aktien für niedrige Zinsen
Analyse zur Anlagestrategie im Niedrigzinsumfeld von Dietegen Müller

Frankfurt (ots)

Dass die Zinsen in der Eurozone noch länger niedrig bleiben, ist keine allzu große Überraschung. Nur ist es jetzt sozusagen amtlich, seit die Europäische Zentralbank (EZB) vor gut einer Woche erklärt hat, dass die Leitzinsen auch über 2019 hinaus unverändert belassen werden. Da die Inflationserwartungen zurückgegangen sind, gehen Analysten davon aus, dass die EZB auch im Jahr 2020 kaum den Leitzins anheben dürfte. Dies hat auch Implikationen für Anlagestrategien an den Aktienmärkten. Eine beliebte Strategie in einem Umfeld niedriger Zinsen ist es, auf Dividendenpapiere mit niedrigerer Schwankungsbreite (Low Volatility) zu setzen. So rät BNP Paribas zu solchen Aktien, da diese bei sinkenden Anleiherenditen besser abschneiden.

Die Ökonomen von Société Générale wiederum gehen nicht von einer Zinserhöhung durch die EZB vor 2021 aus. Lockerere Finanzierungskonditionen sprechen für risikoreichere Vermögenswerte, schreiben die Strategen von Société Générale, weshalb auch die Jahresendziele für die Aktienmärkte etwas hochgesetzt wurden.

Allerdings bleibe es schwierig, "übermäßig enthusiastisch" für europäische Titel zu sein, so die Strategen, da US-Aktien mehr Wachstum zu liefern versprächen und asiatische und chinesische Titel zunehmend als Must-have für globale Portfolios erscheinen würden. Demgegenüber würden europäische Aktien eher ein "Value Play" darstellen. Dies allerdings vor allem in Sektoren, die aus Sicht der Strategen mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Mit Value-Strategie werden meist Anlagen in Aktien bezeichnet, die besonders niedrige Kurs-Buchwert- und Kurs-Gewinn-Verhältnisse aufweisen. Value-Strategien neigen aber dazu schlechter abzuschneiden, wenn die Renditen an den Anleihemärkten sinken.

Da die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen sich bereits wieder deutlich der Null-Prozent-Marke von oben angenähert hat, untersuchten die Strategen von Société Générale, welche Aktien in einem Umfeld sinkender Anleiherenditen besonders leiden oder profitieren. Dabei wird deutlich, dass Pharma- und Konsumgüterhersteller gut abschneiden. Umgekehrt leiden Bank- und diversifizierte Finanzwerte besonders. Die Bewertung von Konsumgüteraktien gemessen am Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnis liege dabei auf einem Zehnjahrestief. Das Shiller-KGV wird auf Basis der durchschnittlichen Gewinne der vergangenen zehn Jahre berechnet.

Für die Strategen ist es dementsprechend eine reizvolle Strategie, nun Konsumgüteraktien gegenüber Bankwerten zu bevorzugen, um vom Umfeld niedriger Anleiherenditen zu profitieren. Die Experten betonen, dass zwar Bankanleihen Rückenwind von niedrigen Zinsen erhalten, nicht jedoch das Aktienkapital der Finanzinstitute, da ihre Profitabilität bei niedrigen Zinsen schwach bleibt.

Die Bevorzugung von Konsumgüteraktien - Consumer Staples - oder auch Gesundheitswerten im Niedrigzinsumfeld lässt sich etwa an den Aktienkursen von L'Oréal, Reckitt Benckiser oder Unilever ablesen, die in den vergangenen Tagen deutlich zugelegt haben.

Diese Titel weisen alle ein niedriges Beta von unter 1 aus. Ein Beta von 1 bedeutet, dass der Aktienkurs genauso stark schwankt wie der Gesamtmarkt, liegt der Wert darunter, ist die Schwankungsbreite geringer. In den vergangenen zwei Jahrzehnten, in denen die Zinsen tendenziell immer weiter gesunken sind, hat sich gezeigt, dass sich Anlagen in solche Aktien überproportional bezahlt gemacht haben. Solche Low-Volatility-Strategien sind auch wissenschaftlich untersucht worden, etwa um herauszufinden, ob ihre Überrendite nicht nur in einem Umfeld sinkender, sondern auch steigender Zinsen, also in einem unterschiedlichen wirtschaftlichen Rahmen, Bestand hat.

Der Assetmanager Amundi hat festgestellt, dass Gesundheits- und Konsumgüteraktien weniger von der Höhe denn der Steilheit der Zinskurve beeinflusst werden, aber Rückenwind von sinkenden Zinsen erhalten, wie auch Versorger- und Telekomwerte. Nicht nur die Sektorauswahl, auch die Einzeltitelauswahl spielt aber eine Rolle. So schneiden Unternehmen mit einer höheren Verschuldung besser ab, wenn die Zinsen niedrig sind. Umgekehrt sind solche Zinswetten gefährlich für die Performance, sollten die Sätze doch steigen.

(Börsen-Zeitung, 16.03.2019)

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