Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
Sechs Jahre nach türkischem Einmarsch Serekaniye (9.10.): 70.000 Menschen noch immer auf der Flucht
Am 9. Oktober 2019 griff das NATO-Mitglied Türkei die die kurdische Region Serekaniye (arabisch: Ras al Ain) an. Den völkerrechtswidrigen Angriff nannte das türkische Militär „Quelle des Friedens“. „Auch sechs Jahre nach der Invasion und ein Jahr nach dem Sturz des Diktators Assad dürfen Kurden, die in weiter östlich gelegenen Regionen Zuflucht gefunden haben, nicht in ihre Heimat zurückkehren. 70.000 Menschen harren in Gebieten aus, die von den Syrischen Demokratischen Kräften kontrolliert werden. Diejenigen, die dennoch eine Rückkehr versuchten, fanden ihre Häuser und Ländereien von radikalen arabisch-sunnitischen Siedlern besetzt, die die türkische Besatzungsmacht dort angesiedelt hat“, berichtete Dr. Kamal Sido, Nahostreferent der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), heute in Göttingen.
„Häuser von sunnitischen Kurden, Yeziden und Christen wurden vielerorts von Siedlern an andere Siedler verkauft. Diese Käufe und Verkäufe sind illegal. Die neue islamistische Regierung in Damaskus hat in Serekaniye und den anderen 2019 von der Türkei besetzten Gebieten Syriens nichts zu sagen. Die neuen Machthaber sind vor einem Jahr unter anderem mit Hilfe der Türkei an die Macht gekommen. Sie kooperieren mit der türkischen Besatzungsmacht“, erklärte Sido. „Eine Souveränität Syriens, wie die Islamisten sie behaupten, existiert nicht. Vielmehr sind die islamistischen Milizen und Banden von der Gnade der Türkei, anderer NATO-Regierungen, der arabischen Golfstaaten und Israels abhängig. Ohne deren Unterstützung oder Duldung könnten sie in Damaskus keinen Tag an der Macht bleiben“.
Denn weite Teile des Landes wollten die islamistische Regierung in Damaskus nicht ohne weiteres anerkennen. Der Nordosten Syriens, in dem die von Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) herrschen, die syrische Mittelmeerküste, in der mehrheitlich Alawiten leben, und der Süden, in dem Drusen leben, wollten ein demokratisches, föderales System in Syrien. Sie wollen keinen Islamismus, sondern verfassungsmäßig garantierte, gleiche Rechte für alle Volksgruppen und auch für syrische Frauen. Die Islamisten lehnen Demokratie, Föderalismus und Gleichberechtigung ab.
„Leider hat sich der Umgang mit der islamistischen Regierung in Damaskus unter der neuen Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD nicht geändert. Der Kuschelkurs der früheren Ampelregierung mit dem Regime Erdogans und die Verharmlosung der neuen islamistischen Machthaber in Damaskus werden auch unter Friedrich Merz fortgesetzt“, bedauerte Sido.
Am 9. Oktober 2019 griffen türkische Truppen und ihre islamistischen Söldner die SDF an. Diese befanden sich im Krieg gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS). Die türkischen Truppen nahmen Serekaniye und Tall Abyad von ihnen ein. Sie vertrieben die gesamte kurdische Bevölkerung sowie andere ethnische und religiöse Minderheiten, darunter Armenier, Assyrer/Aramäer, Christen, Jesiden und Aleviten. Heute gilt dort de facto das islamische Recht der Scharia.
Sie erreichen Dr. Kamal Sido unter k.sido@gfbv.de oder 0173/6733980.
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