Gesellschaft für bedrohte Völker e.V. (GfbV)
RWE zieht sich aus dem Hyphen-Wasserstoffprojekt auf dem angestammten Land der Nama in Namibia zurück: Großer Sieg für das indigene Volk der Nama
Der deutsche Energiekonzern RWE hat sich aus seiner Vereinbarung zum Kauf von Ammoniak für den Export nach Europa von Hyphen Hydrogen Energy Ltd. (Hyphen) in Namibia, auf dem angestammten Land der Nama, zurückgezogen. Diese Entscheidung wurde in einer Antwort auf eine Anfrage der Nama Traditional Leaders Association (NTLA), die das indigene Volk der Nama vertritt, bestätigt, gemeinsam mit ihren internationalen Partnern: der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), Forensic Architecture (FA) und Minority Rights Group International (MRG).
Hyphen beabsichtigt, eine groß angelegte Infrastruktur zur Ammoniakproduktion auf einer 4.000 km² großen Konzessionsfläche im Tsau||Khaeb-Nationalpark auf dem angestammten Land der Nama zu errichten. Dieses Gebiet wurde einst von deutschen Kolonialherren zum „Sperrgebiet” erklärt und ist bis heute für das Volk der Nama und die allgemeine Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugänglich. Hyphen ist ein in Namibia registriertes britisch-deutsches Joint Venture, zu dessen Anteilseignern das deutsche Unternehmen Enertrag SE gehört.
RWE hatte 2022 eine Absichtserklärung mit Hyphen über den Kauf von Ammoniak unterzeichnet. Die jüngste Entscheidung des Unternehmens folgt auf einen offenen Brief vom 2. April 2025, in dem die Organisationen RWE aufgefordert hatten, sich zurückzuziehen, bis die Rechte der indigenen Bevölkerung der Nama vollständig respektiert werden. In dem Brief wurde RWE über die Fortsetzung kolonialer Muster durch deutsche Landenteignungs- und Ausrottungsbefehle informiert, einen Völkermord, der zur Dezimierung von 50 % des Nama-Volkes führte, sowie zur Zerstörung eines Biodiversitäts-Hotspots. Darin wird hervorgehoben, wie die heutigen Praktiken der Rohstoffgewinnung koloniale Muster auf demselben Land fortsetzen.
Der Widerstand der indigenen Bevölkerung zeigt Wirkung
Die Nama Traditional Leaders Association (NTLA) fordert die namibische Regierung auf, ihren internationalen Menschenrechtsverpflichtungen nachzukommen und das Recht auf Selbstbestimmung und freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC) bei jedem Projekt zu garantieren, das auf ihrem angestammten Land geplant ist. „Die Regierung darf solche Projekte nicht länger über die Köpfe der betroffenen Gemeinschaften hinweg planen“, sagt Maboss Johannes Ortmann, Projektkoordinator der NTLA für Reparationen für den Völkermord. „Das Völkerrecht verpflichtet Namibia, die von administrativen oder rechtlichen Maßnahmen betroffenen indigenen Völker zu informieren, zu konsultieren und ihre Zustimmung einzuholen. Diese Verpflichtung umfasst auch das Recht, Nein zu sagen, und muss endlich respektiert werden.“
„Der Rückzug von RWE ist ein wichtiges Signal, dass die Rechte indigener Gemeinschaften nicht ignoriert werden dürfen“, sagt Laura Mahler, Referentin für Genozid-Prävention und Schutzverantwortung bei der GfbV. „Die wirtschaftliche Entwicklung Namibias darf nicht auf Kosten der Rechte indigener Völker gehen.“
Andrea Pietrafesa, Rechtsberaterin beim ECCHR, fügt hinzu: „Dies ist ein Weckruf. Jedes Projekt in Großnamaqualand oder auf dem angestammten Land indigener Völker muss die internationalen Menschenrechtsverpflichtungen respektieren. Die Entscheidung von RWE den Kauf von Waren abzulehnen, die auf Land produziert wurden, auf dem die Rechte indigener Völker verletzt werden, schafft einen Präzedenzfall.“
Das Volk der Nama fordert vom namibischen Staat, dass er den Konsultationsprozess und die freie, vorherige und informierte Zustimmung gemäß seinen internationalen Verpflichtungen aus dem Internationalen Pakt über politische und bürgerliche Rechte und dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte garantiert.
Eine Geschichte der Enteignung
Von der deutschen Kolonialherrschaft und dem Völkermord über die südafrikanische Apartheid bis hin zum modernen namibischen Staat ist die Kontrolle über das angestammte Land der Nama von den Kolonialmächten auf Unternehmen und den Staat übergegangen – während die Nama weiterhin marginalisiert sind und keinen Zugang zu ihrem angestammten Gebiet innerhalb des heutigen Nationalparks haben. Diese anhaltende Enteignung setzt die Kolonialverbrechen fort.
Der Ausstieg von RWE bedeutet den Verlust eines wichtigen potenziellen Kunden für das Hyphen-Projekt, was dessen Rentabilität in Frage stellt, und seine spekulative Grundlage offenbart.
Kontakt:
Maboss Johannes Ortmann: maboss.ortmann@gmail.com
Laura Mahler: l.mahler@gfbv.de
Andrea Pietrafesa: pietrafesa@ecchr.eu
Anne Schroeter: schroeter@ecchr.eu
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