LAG Jungen- und Männerarbeit Sachsen e.V. - Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz
Die Zahl der von häuslicher Gewalt betroffenen Männer in Schutzeinrichtungen in Deutschland ist erneut gestiegen. Viele Männer konnten aus Platzkapazitäten nicht in eine Einrichtung aufgenommen werden
Berlin (ots)
Zum Weltmännertag am 3. November legt die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) die aktuelle Nutzungsstatistik der Männerschutzeinrichtungen in Deutschland vor. Im Jahr 2024 konnten bundesweit 126 von Gewalt betroffene Männer in einer Schutzeinrichtung aufgenommen werden. Weitere 256 Männer mussten jedoch abgewiesen werden, weil keine Plätze mehr verfügbar waren. Diese Zahlen verdeutlichen den dringenden Bedarf, das Hilfesystem für gewaltbetroffene Männer weiter auszubauen. Gleichzeitig bleibt auch die Unterstützung des Hilfesystems für Frauen eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe. Denn Frauen sind insgesamt deutlich häufiger und schwerer von häuslicher Gewalt betroffen. Ebenso wichtig ist es, Prävention und Sensibilisierung für das Thema in der gesamten Bevölkerung nachhaltig zu stärken.
Die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) hat die vierte Nutzungsstatistik der Männerschutzeinrichtungen (MSE) in Deutschland veröffentlicht. Sie enthält Daten zu den Betroffenen sowie zu den Rahmenbedingungen der Arbeit in den Einrichtungen im Jahr 2024. Die Auswertung bildet das Hellfeld der von häuslicher Gewalt betroffenen Männer ab, die Kontakt zu einer Männerschutzeinrichtung aufgenommen haben. Unter häusliche Gewalt fallen sowohl Partnerschaftsgewalt als auch innerfamiliäre Gewalt.
Insgesamt haben sich 751 Männer an die Männerschutzeinrichtungen gewandt, wobei diese zum Teil auch nur Beratung und keinen Schutzplatz benötigten oder an andere Hilfsangebote vermittelt werden konnten. Damit ist die Zahl der Meldungen an die MSE erneut deutlich gestiegen. Im Jahr 2023 waren es 533 Meldungen, 2022 412 Meldungen und in der ersten Statistik 2021 lediglich 251 Meldungen. 126 Männer konnten 2024 einen Platz in einer Männerschutzeinrichtung erhalten. Demgegenüber stehen 256 Männer, die aufgrund von Platzmangel keinen Schutzplatz erhalten konnten.
Die meisten Bewohner von Männerschutzeinrichtungen hatten im Berichtsjahr 2024 ihren Wohnsitz im selben oder angrenzenden Landkreis. Die BFKM fordert deshalb den flächendeckenden Ausbau des Männergewaltschutzsystems, da davon auszugehen ist, dass eine große Anzahl an Männern nicht erreicht wird. Zuletzt wurden zwar zwei neue Einrichtungen in Hamburg und Hannover eröffnet. Doch auch mit nun 17 Wohnungen und 55 Plätzen in nur sechs der 16 Bundesländer kann das Hilfesystem für Männer keinesfalls den Schutzanspruch für alle betroffenen Männer einlösen.
Jana Peters, Fachreferentin Statistik der BFKM:
"Viele betroffene Männer wünschen sich Unterstützung in erreichbarer Nähe - und das aus gut nachvollziehbaren Gründen: Sie stehen meist mitten im Berufsleben, tragen Verantwortung in ihren Familien und möchten, sofern Kinder vorhanden sind, auch weiterhin aktiv für sie da sein. Gerade die Entfernung zu Schule oder Kita war bei von häuslicher Gewalt mitbetroffenen Kindern, ein Grund, warum sie nicht mit ihren Vätern in die MSE einziehen konnten. Es fehlt in weiten Teilen Deutschlands noch immer an Schutzplätzen für Männer. Diese Versorgungslücke hat zur Folge, dass viele Betroffene ohne Hilfe bleiben und ihr Leid im Verborgenen weitertragen müssen. Politik und Verwaltung sind gefordert, hier endlich entschieden gegenzusteuern und Verantwortung zu übernehmen."
Der aktuelle Bestand an Schutzwohnungen für Männer und ihre Kinder ist in Deutschland weder bedarfsgerecht noch ist das Hilfesystem flächendeckend ausgebaut. Nach Empfehlungen der BFKM sollte es - in Anlehnung an Kostenstudien zum Hilfesystem für Betroffene häuslicher und geschlechtsspezifischer Gewalt - mindestens einen Familienplatz pro 200.000 Einwohner*innen geben. Für Hessen entspräche das rund 30 Plätzen. Tatsächlich existiert dort derzeit kein einziger staatlich geförderter Platz für Männer und ihre Kinder. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwar 18 Plätze in Männerschutzeinrichtungen, nach BFKM-Forderung wären aber mindestens 90 Plätze notwendig. Zudem zeigen die Zahlen, dass viele Männer Beratung in Anspruch nehmen wollen. Dies leisten die Männerschutzeinrichtungen neben ihrer eigentlichen Aufgabe mit. Dringend geboten wäre deshalb auch ein Aufbau eines flächendeckenden Beratungsnetzes mit männerspezifischer Ansprache.
Nahezu alle Bewohner bestehender Schutzwohnungen berichten von psychischer Gewalt, häufig in Verbindung mit weiteren Gewaltformen. Die Mehrheit der Betroffenen hat somit mehr als eine Form von Gewalt erlebt. Diese Entwicklung bestätigt sowohl die Ergebnisse der Vorjahre als auch die Erkenntnisse bestehender Studien - und unterstreicht eindrücklich, wie dringend Schutzräume und Rückzugsmöglichkeiten auch für Männer benötigt werden.
Enrico Damme, Geschäftsführender Bildungsreferent der BFKM:
"Gewalt in Partnerschaften trifft auch Männer - doch in Deutschland wird dieses Thema noch immer viel zu selten offen angesprochen. Unsere nun zum vierten Mal erhobene Nutzungsstatistik trägt dazu bei, das zu ändern. Dass sich erneut deutlich mehr betroffene Männer an Hilfsangebote wenden, ist einerseits ein alarmierendes Zeichen für das Ausmaß der Gewalt, zeigt andererseits aber auch: Die öffentliche Wahrnehmung und Bereitschaft, über das Thema zu sprechen, wächst langsam. Denn betroffen zu sein ist tragisch, aber kein Makel. Wer Unterstützung sucht, kann seine Situation verändern - und macht zugleich sichtbar, dass auch Männer Verletzlichkeit zeigen dürfen."
Die Nutzungsstatistik steht auf der Homepage www.maennergewaltschutz.de zum Download zur Verfügung. Auf der Internetseite kann auch die gedruckte Version kostenfrei angefordert werden.
Mit unserer Kampagne ohne-gewalt-leben.de setzen wir uns dafür ein, dass häusliche Gewalt gegen Männer sichtbar gemacht wird und dass Betroffene wissen, wo sie Unterstützung finden können. Damit noch mehr Menschen erreicht werden gibt es die Internetseite neben Deutsch und Englisch nun auch auf Polnisch, Arabisch und Türkisch.
Um insgesamt noch mehr Männer und ihr Umfeld zu erreichen, sind wir jetzt mit eigenen Kanälen zur Kampagne auch auf Instagram und TikTok aktiv. Die sozialen Medien bieten uns die Möglichkeit, niedrigschwellig über das sensible Thema zu informieren, Fragen zu beantworten und aufmerksam zu machen - auf Formen häuslicher Gewalt, Wege zur Hilfe und auf die Geschichten derer, die den Schritt gewagt haben, sich Unterstützung zu holen.
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