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Forschung für die Praxis: Preis der Financial Times für Kasseler Professor

Forschung für die Praxis: Preis der Financial Times für Kasseler Professor
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Forschung für die Praxis: Preis der Financial Times für Kasseler Professor

Ein Forschungsartikel mit Autorenschaft aus der Universität Kassel wurde mit dem Responsible Business Education Award der Financial Times in der Kategorie „Akademische Forschung mit Auswirkungen auf die Praxis“ ausgezeichnet. Die Forschenden untersuchten in einer mehrjährigen Studie am Beispiel moderner Sklaverei in der Bauindustrie Großbritanniens bestimmte Interpretationsschemata, welche maßgeblich beeinflussen, wie Akteure ein Problem einschätzen und ihm begegnen.

Ob bei den Olympischen Spielen in Brasilien oder der Fußball-WM in Katar – in den letzten Jahren ist weltweit eine steigende Aufmerksamkeit für die Arbeitsbedingungen im Bausektor zu beobachten. Das nahmen die geehrten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Anlass, die Dynamiken der medialen und fachlichen Diskussion darüber zu untersuchen.

Zwischen 2014 und 2019 sammelten sie dafür Daten in Form von 15 Interviews mit Beteiligten aus der Bauindustrie, Beobachtungen auf Tagungen und Konferenzen sowie 106 Artikeln aus einer Vielzahl englischsprachiger Medien und werteten diese aus. Die Untersuchung ergab, dass bestimmte implizite Interpretationsschemata, sogenannte „Frames“, beeinflussen, wie Menschen ein Problem wahrnehmen, wen sie dafür verantwortlich machen und welche Lösungswege sie als angemessen ansehen.

„Wenn wir einem Thema Aufmerksamkeit schenken, treffen wir automatisch eine Auswahl darüber, welche Aspekte wir dabei besonders hervorheben und welche wir eher vernachlässigen“, so Prof. Dr. Stefan Gold, Mitautor der Studie und Leiter des Fachgebiets Nachhaltige Unternehmensführung an der Uni Kassel. „Diese Frames beeinflussen unsere Interpretation sozialer Realität entscheidend. Miteinander im Wettbewerb stehende Frames werden fortlaufend zwischen unterschiedlichen Beteiligten ausgehandelt und können schließlich zu lösungsorientierten neuen Handlungsmustern führen oder solche verhindern.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten beobachten, dass die öffentliche Diskussion um moderne Sklaverei in der Baubranche drei Phasen durchlief – vom ersten Aufkommen des Themas über den gesellschaftlichen und medialen Höhepunkt der Debatte bis hin zu ihrem Abkühlen. In jeder dieser drei Phasen rückten bestimmte Frames in den Vordergrund, während andere zurückgedrängt wurden.

Vier Frames haben die Forschenden herausgearbeitet, und deren Entwicklung über die Zeit weiter untersucht. So fassten die meisten Akteure der Baubranche moderne Sklaverei entweder als menschenrechtliches, moralisches, managementbezogenes oder als Problem sozialer Gerechtigkeit auf. Je nachdem, welcher dieser Frames bei ihnen vorherrschte, unterschied sich auch, wen sie als hauptverantwortlich ansahen und welche Lösungswege sie als angemessen bewerteten. So schätzten beispielsweise Akteure, die moderne Sklaverei vor allem als Problem sozialer Gerechtigkeit einordneten, diese meist als strukturell verursacht ein. Sie setzten sich für stärkere staatliche Kontrollen, den Ausbau von Gewerkschaftsrechten und mehr Schutzgesetze für Arbeitnehmerinnen und -nehmer ein. Akteure, die moderne Sklaverei als menschenrechtliches Problem, und in einer späteren Abwandlung als „verdecktes Verbrechen“ begriffen, legten dagegen den Fokus stärker auf individuelle Menschenhändlerinnen und -händler sowie einzelne Opfer. Unternehmen umfassender in die Pflicht zu nehmen, lehnten sie eher ab. Als Lösungsweg wurde von ihnen häufig eine stärkere Verfolgung von Straftaten im Bereich des Menschenhandels favorisiert.

Der Responsible Business Education Award der Financial Times zeichnet akademische Arbeiten aus, die Unternehmen und anderen Organisationen auf praktischer Ebene helfen, verantwortungsvoller zu agieren. Über die Co-Autorinnen und Autoren Dr. Gabriela Gutierrez-Huerter O (King’s College London) und Prof. Alexander Trautrims (University of Nottingham) floss die Studie in den neuen BSI (British Standards Institution)-Standard BS 25700 ein, der Organisationen Leitlinien für den Umgang mit dem Risiko der modernen Sklaverei in ihren Betrieben, Lieferketten und ihrem weiteren betrieblichen Umfeld bietet. Der Standard gibt Unternehmen ein Instrumentarium an die Hand, moderne Sklaverei in ihren Aktivitäten und ihren Lieferketten aktiv zu bekämpfen und sich nicht hinter der Interpretation von moderner Sklaverei als in unser Wirtschaftssystem unvermeidbar angelegtes Phänomen zu verstecken.

Zur Meldung in der Financial Times vom 16. Januar 2023: https://www.ft.com/content/679f19bd-92eb-475c-9eb2-7dbc9b82846e

Gutierrez-Huerter O, G., Gold, S., Trautrims, A. (2023). Change in Rhetoric but not in Action? Framing of the Ethical Issue of Modern Slavery in a UK Sector at High Risk of Labor Exploitation. Journal of Business Ethics, 182, 35–58.

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Ihr Ansprechpartner in der Pressestelle der Universität Kassel:
Sebastian Mense
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