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Erzählen, erinnern, aufarbeiten: Ausstellung „ÜberLeben erzählen“ in Konstanz, PI 41/2025

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Erzählen, erinnern, aufarbeiten: Ausstellung „ÜberLeben erzählen“ in Konstanz

Im August 1944 verübten Soldaten der Waffen-SS im italienischen Bergdorf Sant’Anna di Stazzema ein Massaker mit Hunderten von Toten. Wie verarbeiteten Überlebende die grausamen Ereignisse im Laufe der Jahre? Wie erzählen sie heute über das Erlebte, wie erinnern sie daran? Das behandelt die Ausstellung „ÜberLeben erzählen. Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944/2024“, die Studierende der Universität Konstanz erarbeitet haben. Die feierliche Eröffnung findet am Mittwoch, 14. Mai 2025, um 18.30 Uhr in der Lutherkirche statt. Anschließend ist die Ausstellung bis 30. Mai 2025 im Bürgersaal der Stadt Konstanz zu sehen.

Am 12. August 1944 fielen Soldaten der Waffen-SS in das italienische Bergdorf Sant’Anna di Stazzema ein und töteten bis zu 560 Menschen, darunter etwa 130 Kinder. Über Jahrzehnte wurde von offizieller Seite über die Geschehnisse geschwiegen. Erst im April 2004 eröffnete das Militärgericht von La Spezia einen Prozess gegen mehrere noch lebende Täter, im Folgejahr wurden zehn frühere SS-Angehörige zu lebenslanger Haft verurteilt. Doch diese wurden weder ausgeliefert noch in Deutschland verurteilt; die Stuttgarter Staatsanwaltschaft stellte 2012 ihre Ermittlungen sogar ein.

Der Erinnerung Raum geben

„Die Ausstellung ‚ÜberLeben erzählen‘ widmet sich den Kindern von Sant’Anna di Stazzema, die das SS-Massaker überlebt haben. Sie, ihre Kinder und Enkel erzählen auf sehr unterschiedliche Weise über das Leben mit und nach dem Massaker“, sagt Kulturwissenschaftlerin Sarah Seidel. „Außerdem sehen wir die Ausstellung als Beitrag zu einer Auseinandersetzung mit diesen Verbrechen, die zumindest juristisch 2012 in Stuttgart abgebrochen wurde“, ergänzt Ethnologin Maria Lidola. Beide leiteten gemeinsam das Ausstellungsprojekt.

Genau 80 Jahre nach dem Massaker, im August 2024, wurde die Ausstellung erstmals in Sant’Anna die Stazzema gezeigt, im November 2024 dann in Stuttgart. Nun kehrt sie an den Ort zurück, wo sie konzipiert und größtenteils erarbeitet wurde. Bei der feierlichen Eröffnung am Mittwoch, 14. Mai 2025, um 18.30 Uhr in der Konstanzer Lutherkirche werden Überlebende des Massakers und Angehörige anwesend sein. Anschließend an den Festakt findet ein Rundgang durch die Ausstellung im Bürgersaal der Stadt Konstanz (Sankt-Stephans-Platz 17) statt. Dort wird die Ausstellung bis einschließlich 30. Mai 2025 zu sehen sein.

Brücke zwischen damals und heute

„ÜberLeben erzählen. Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944/2024“ wurde in einem interdisziplinären Ausstellungs- und Lehrprojekt an der Universität Konstanz entwickelt. 80 Jahre nach dem Massaker reisten die beiden Dozentinnen Lidola und Seidel gemeinsam mit Petra Quintini, Mit-Initiatorin des Projekts, und Studierenden an den Ort des Geschehens. Dort dokumentierten sie die Erzählungen der Zeitzeug*innen, deren Nachkommen sowie juristischer und politischer Akteur*innen in Ton, Bild und Film. In Seminaren in Konstanz setzten sie sich mit dem Erinnern – etwa der Rolle von Gedenkstätten –, mit der Aufarbeitung mittels Kunst, Musik und Literatur, aber auch mit dem Schweigen auseinander.

„Mit diesem studentischen Projekt wollten wir nicht die Ereignisse des Massakers nacherzählen – sondern das Geschehene aus verschiedenen Perspektiven zu fassen versuchen. Es geht uns darum, eine Geschichte herzustellen – des Massakers damals und des Überlebens bis heute“, erklärt Projektleiterin Seidel. „Das Besondere daran war für uns diese Begegnung zwischen jungen Menschen, die die NS-Zeit oft nur aus Lehrbüchern kennen, und Zeitzeug*innen. Angesichts des hohen Alters der Überlebenden ist das eine Chance, die irgendwann nicht mehr bestehen wird.“ Sämtliche Begegnungen, die die beiden Dozentinnen und ihre Studierenden hatten, schildern sie als sehr persönlich und berührend. So betont Lidola: „Das machte für uns die Stärke des Projekts aus. Diese Einzelschicksale berühren ganz anders als die Kenntnis bloßer Fakten oder Zahlen.“

Weitere Informationen

Die Ausstellung ist täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Bei Interesse können studentische Führungen mit Schulklassen durchgeführt werden. Bitte wenden Sie sich hierfür an die Organisatorinnen unter: ausstellen.ueberlebenerzaehlen@uni-konstanz.de.

Ausführliche Informationen zu dem Ausstellungsprojekt sind nachzulesen unter https://www.soziologie.uni-konstanz.de/lidola/ueberleben-erzaehlen/

Faktenübersicht:

  • Eröffnung der Ausstellung „ÜberLeben erzählen. Sant’Anna di Stazzema 12. August 1944/2024“ am 14. Mai 2025 um 18.30 Uhr in der Konstanzer Lutherkirche
  • Besichtigung im Bürgersaal der Stadt Konstanz (Sankt-Stephans-Platz 17) bis 30. Mai 2025, täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr
  • Teil der VeranstaltungsreiheLebenswege nach 1945 – Generationen im Dialog
  • Projektleitung: Sarah Seidel, Literaturwissenschaftlerin an der Universität Konstanz, und Maria Lidola, Ethnologin an der Universität Konstanz, in Zusammenarbeit mit Petra Quintini, Mit-Initiatorin des „Campo della Pace“ und Multiplikatorin für Erinnerungsarbeit
  • Förderung durch das forum.konstanz, das Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung (ZKF) und den Teaching Innovation Fund der Universität Konstanz; durch die Fondazione Bracco, das Kulturamt der Stadt Konstanz sowie die Stabsstelle Konstanz International, u.a.m.
  • Ziele des Projekts: Möglichkeiten des Erzählens, Erinnerns und Gedenkens untersuchen mit Fokus auf Erzählungen der Überlebenden und Aufarbeitung der Ereignisse
  • Projektaktivitäten: Seminar „Erinnern und Gedenken. Das Unbeschreibliche erzählen“ (Sarah Seidel) und Seminar „Narrative Ethnographie“ (Maria Lidola); Untersuchung von Zeitzeug*innenberichten, juristischen und politischen Aufarbeitungen; Exkursionen nach Sant’Anna di Stazzema vom 10. bis 17. Mai 2024 und anlässlich des 80. Jahrestags des Massakers für die Installation der Ausstellung „Raccontare la sopravvivenza“ vom 11. bis 25. August 2024

Hinweis an die Redaktionen:

Ein Foto kann im Folgenden heruntergeladen werden:

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Bildunterschrift: Der Überlebende Mario Marsili spricht vor den Studierenden der Universität Konstanz in Sant’Anna di Stazzema (Mai 2024).

Bild: Mark Dölling

Ein Porträt kann im Folgenden heruntergeladen werden:

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Bildunterschrift: Die Ethnologin Maria Lidola (links) und die Kulturwissenschaftlerin Sarah Seidel (rechts) von der Universität Konstanz leiteten das Ausstellungsprojekt.

Bild: Universität Konstanz

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