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Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)

Prädikat "besonders wertvoll" für WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK./Weitere Kinostarts mit Prädikat: DREI TÜRKEN UND EIN BABY und LOS ÁNGELES

Wiesbaden (ots)

Die Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW) empfiehlt in dieser Woche Prädikatskino aus Deutschland quer durch Genres und Kulturen.

Rostock 1992. Stefan ist gerade fertig mit der Schule, ist ohne Perspektive. Von seinem Vater, einem SPD-Politiker, hat er sich abgewandt. Seine Clique schließt sich bald dem braunen Mob an, der am Abend des 24. August 1992 im Ortsteil Lichtenhagen Jagd auf Ausländer macht und Brandsätze in ein Haus wirft, wo Asylbewerber untergebracht sind. WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK (Start: 22. Januar) von Regisseur Burhan Qurbani. Der Spielfilm stellt die Chronologie der historischen Ereignisse aus Sicht der Jugendlichen dar, die Bilder sind drastisch, die Spirale der Gewalt immer sicht- und spürbar. Die fünfköpfige FBW-Jury hob in ihrer Begründung für das höchste Prädikat "besonders wertvoll" insbesondere den "dramaturgisch fesselnden Spannungsbogen", das beeindruckende Spiel der Darsteller sowie die großartige Kameraarbeit hervor.

Was passiert, wenn ein kleines Baby das Leben von drei ohnehin schon chaotischen Brüdern durcheinanderwirbelt, davon erzählt die sympathische Multikulti-Komödie DREI TÜRKEN & EIN BABY (Start: 22. Januar) von Sinan Akkus, bekannt geworden durch EVET - ICH WILL. Dabei fangen die Probleme erst an, als Celal durch einen unglücklichen Zufall auf das Baby seiner Ex-Freundin aufpassen muss. Missgeschicke und Missverständnisse pflastern die Handlung, und dank gewitzter Drehbucheinfälle und dem gut aufgelegten Spiel der Darsteller funktioniert die Komödie sehr gut. "Eine unterhaltsame, freche Komödie, deren Witz vor allem aus dem Mit- und Gegeneinander der drei Brüder ihren Charme bezieht." So urteilte die Expertenrunde und vergab das Prädikat "wertvoll".

Dass das deutsche Nachwuchskino so stark wie nie ist, beweist auch der Film des HFF München-Absolventen Damien John Harper. Sein Debüt LOS ÁNGELES (Start: 29. Januar) wurde von der FBW-Jury bereits im letzten Jahr als herausragend beurteilt und zudem bei vielen renommierten Festivals ausgezeichnet. Die Jury war tief beeindruckt von dem Drama über den 17jährigen Matteo, der in Südmexiko lebt und sich dort mit Armut, Bandenkriminalität und Elend konfrontiert sieht. Der einzige Ausweg scheint die Flucht nach Amerika, ins gelobte Land, zu sein. Doch dafür muss Matteo Gefahren auf sich nehmen. Für sich selbst und auch für seine Familie. Die FBW-Jury vergab für diesen überzeugenden und bewegenden Spielfilm das höchste Prädikat "besonders wertvoll". Ein Auszug aus dem Gutachten: "Alles vermittelt sich so unmittelbar und authentisch, dass man sich weitgehend in einem Dokumentarfilm zu finden glaubt. Faszinierend, zu welch großartigen Leistungen der Regisseur die Laiendarsteller führte."

Weitere kommende Filmstarts mit Prädikat: ANDERSWO, DIE LETZTEN GIGOLOS und BONNE NUIT PAPA. Mehr Informationen unter www.fbw-filmbewertung.com.

Prädikatsfilme vom 22. bis 29. Januar 2015

Wir sind jung. Wir sind stark.

Spielfilm, Drama. Deutschland 2014.

Rostock, August 1992. Stefan ist gerade mit der Schule fertig, hat keinen Job, keine Perspektive. Seinen Freunden in der Clique geht es genauso. Zusammen hängen sie ab, trinken und gammeln rum. Dabei wächst in ihnen zunehmend der Frust. Und die Wut auf die Politiker, die ihrer Meinung nach nur die Ausländer beschützen, die in Scharen ins Land kommen. Immer schärfer wird die Stimmung innerhalb der Bevölkerung, die sich am Abend des 24. August im Stadtteil Lichtenhagen in purer Gewalt entlädt. Es fliegen Molotow-Cocktails, Häuser brennen, die Menge klatscht. Und Stefan und seine Freunde stehen mittendrin. WIR SIND JUNG. WIR SIND STARK ist der zweite Spielfilm des Regisseurs Burhan Qurbani, der zusammen mit Martin Behnke auch das Drehbuch verfasst hat. Der Film behandelt einen einzigen Tag, der sich in das kollektive Gedächtnis Deutschlands eingeprägt hat. Es war der Tag, an dem Polizei und Politik hilflos und ohnmächtig zusahen, wie rechtsradikale Menschen Ausländer nicht nur offen bedrohten, sondern angriffen. Doch neben den Ereignissen, die Qurbani erschreckend nah und authentisch inszeniert, konzentriert sich der Film auf die Perspektive der Jugendlichen der damaligen Zeit. Stefan und seine Freunde stehen für eine Generation junger Menschen, die arbeits- und somit auch perspektivlos war und sich hinter Frust und Hass versteckte. Irgendjemand musste schuld sein an der "Lage der Nation" und für das eigene verpfuschte Leben büßen. Der Film zeigt die verschiedenen Ausprägungen des Rechtsradikalismus auf und wählt dafür Stellvertreterfiguren. Da ist der gewaltbereite Anführer der Clique, ein mieser Macho, der seinen Wut an Schwachen auslassen will, um sich selbst nicht schwach zu fühlen. Da ist Jennie, die aus Langeweile mit der Clique rumhängt und sich einen Spaß daraus macht, Stefan und seinen Freund Robbie gegeneinander auszuspielen. Eine eigene Meinung hat sie dagegen nicht, denn die will keiner wissen. Stefan selbst ist meist passiver Zuschauer, der aus gutem Hause kommt, es besser wissen müsste, aber nicht den Mut besitzt, die anderen von ihrem rassistischen Gedankengut abzubringen und nicht weiß, was er will. Hauptsache nicht wie sein Vater werden, ein SPD-Politiker, der eigentlich für Ruhe im Stadtviertel sorgen soll. Doch er versteckt sich zuhause und steckt den Kopf in den Sand. Devid Striesow spielt ihn mit dieser Mischung aus überforderter Panik und hilfloser Resignation und ist damit die personifizierte damalige Erwachsenengeneration. Überhaupt ist die Besetzung stimmig, die Typen gut getroffen, was auch für die vietnamesischen Schauspieler gilt. Denn auch diese Perspektive beleuchtet Qurbani. Wie ging es den Ausländern, die im Sonnenblumenhaus in Lichtenhagen untergebracht waren, als sie merkten, wie ihnen der blanke Hass entgegenschlug und sie um ihr Leben fürchten mussten? Die Kamera findet kraftvolle und atmosphärisch dichte Bilder, generell leistet der Film in visueller Hinsicht Großes. Am Ende geht Lien, eine junge Vietnamesin, nach draußen. Sie und ihre Familie haben den Angriff überlebt. Sie schaut einen kleinen Jungen an. Dieser greift nach einem Stein. Der Hass ist gesät. Und ihn auszumerzen, ist ein Kampf, der nie aufhören darf. Ein wichtiger und hochaktueller Film aus Deutschland, der zeigt, dass das eigentliche Verbrechen ist, zuzusehen, ohne einzugreifen. Und damit ein Film, der mahnt, erinnert, wachmacht.

http://www.fbw-filmbewertung.com/film/wir_sind_jung_wir_sind_stark

Los Angeles

Spielfilm, Drama. Deutschland, Mexiko 2014.

Mateo ist 16 Jahre alt und lebt mit seiner Mutter, dem kleinen Bruder und seinem Großvater in dem Dorf Santa Ana del Valle im Süden Mexikos. Sein Vater ist vor Jahren nach Amerika gegangen, um in Los Angeles Geld zu verdienen und der Familie zuhause ein besseres Leben zu ermöglichen. Doch seit Ewigkeiten hat der Vater nichts mehr von sich hören lassen. Und so soll nun Mateo über die Grenze gehen und Geld für die Familie verdienen. Aus Angst, dort der Bandengewalt ausgeliefert zu sein, schließt er sich im Dorf einer Gang an. Von ihr erhofft er sich Schutz, wenn er nach Amerika geht. Doch als Danny, der Chef der Gang, von ihm verlangt, einen Menschen zu töten, weiß Mateo nicht, ob es das wert ist, um ins "gelobte Land" Amerika zu gelangen. Regisseur Damian John Harper hat an der HFF in München Regie studiert. Davor verbrachte er einige Zeit in genau dem Dorf, dessen Leben er in seinem Debütfilm beschreibt. Gedreht hat Harper ausschließlich mit Laiendarstellern, mit Einwohnern des Dorfes. Nur so entsteht dieser unglaublich authentische Eindruck, der sich beim Zuschauer eindrucksvoll und nachhaltig einprägt. Die Handkamera ist nah bei den Protagonisten, folgt ihnen in ihrem Alltag, in ihre Problem- und Konfliktsituationen. Alles fühlt sich echt an, nachvollziehbar, realistisch, fast dokumentarisch. Das große Vertrauen der Darsteller zur Regie zeigt sich an ihrem realistischen ungezwungenen Spiel. Der Zuschauer fühlt mit Mateo und den anderen Figuren mit, ohne dass Harper mit Musik oder zu großer Dramatik Emotionen evozieren muss. Dies ist auch nicht nötig, denn die Geschichte eines jungen Mannes, der von einer Gang zu kriminellen Machenschaften gezwungen wird, ist erschütternd und mitreißend genug. Am Ende des Films trifft Mateo eine mutige Entscheidung. Die Konsequenzen für sein Handeln lässt der Film bewusst offen. Doch es ist ein Ende nicht ohne Hoffnung, dass zumindest einmal alles besser werden kann. Ein erstaunlich reifer, bewegender und authentischer Debütfilm eines großen Talents.

http://www.fbw-filmbewertung.com/film/los_a_ngeles

Pressekontakt:

Deutsche Film- und Medienbewertung (FBW)
Schloss Biebrich Rheingaustraße 140
65203 Wiesbaden

Tel: 0611/ 96 60 04 -18
Fax: 0611/ 96 60 04 -11
info@fbw-filmbewertung.com
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