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Sportschau: Lücken bei olympischen Dopingkontrollen: IOC und WADA ließen in Peking wichtige Testmethoden nicht durchführen - Bald umfangreiche Nachtests auch für Athen 2004 und Turin 2006?

Köln (ots)

Die Dopingtests im olympischen Kontrolllabor in
Peking waren deutlich lückenhafter als bisher bekannt: Das  
Internationale Olympische Komitee (IOC) hat mehrere Testverfahren bei
den Olympischen Spielen nicht durchführen lassen. Dies räumte der 
Direktor der medizinischen Kommission des IOC, Patrick Schamasch, 
gegenüber der ARD-Sportschau (Das Erste, heute 18.00 Uhr) ein. Die 
Verfahren, die schon lange vor Olympia zur Verfügung standen, sind in
der Wissenschaft publiziert und anerkannt und kamen bei der 
Deutschlandtour der Radprofis 2008 zum Einsatz. Bei den Spielen in 
Peking war es potenziellen Dopern damit möglich, mit weitaus mehr 
verbotenen Substanzen als bisher vom IOC eingeräumt unentdeckt zu 
betrügen. Die mit diesen Verfahren aufspürbaren Mittel und deren 
artverwandte Substanzen stehen auf der  Verbotsliste der 
Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Dabei handelt es sich um Testverfahren für mögliche neue Varianten
anaboler Designer-Steroide, für die hochwirksamen muskelaufbauenden 
SARMs sowie für die zur Verschleierung von Doping anwendbaren 
Proteasen. Das IOC hatte zudem bereits kurz nach den Olympischen 
Spielen eingeräumt, dass im Pekinger Labor nicht nach synthetischem 
Insulin gesucht worden sei, das seit Jahren zu den Klassikern in der 
Dopingszene gerechnet wird.
Der Direktor der Medizinischen Kommission des IOC, Patrick 
Schamasch, sagte jetzt gegenüber der ARD: "Es hat kein grünes Licht 
der WADA für den Einsatz der Nachweismethoden gegeben." Die WADA ließ
erklären, für die Dopingkontrollen bei den Olympischen Spielen sei 
das IOC verantwortlich.
WADA-Vizepräsident Arne Ljungqvist, zugleich Vorsitzender der 
Medizinischen Kommission des IOC, sagte: "Nur die im Routinesystem 
der WADA-Kontrolllabore eingesetzten Verfahren können im Rahmen der 
Olympischen Spiele durchgeführt werden." Schon während Olympia stand 
indes fest, dass alle genannten Verfahren unter der Regie des 
Weltradsportverbandes UCI bei der Deutschlandtour der Radprofis 
unmittelbar nach den Spielen durchgeführt würden, ohne dass es eines 
Routinesystems in den Laboren bedurfte. Experten wiesen zudem darauf 
hin, dass auch die vom IOC jetzt in die Wege geleiteten Nachtests auf
das EPO-ähnliche Mittel CERA und Insulin nicht zum Routinesystem der 
Labore gehören und nur in wenigen WADA-akkreditierten Laboren 
nachgewiesen werden könnten. Die Analysegeräte für die Erkennung von 
anabolen Designer-Steroiden und SARMs waren nach Angaben von Experten
in Peking vorhanden, wurden aber demzufolge nicht genutzt.
Von Experten wird seit Jahren immer wieder kritisiert, dass manche
Nachweismethoden erst mit großer Verzögerung  zugelassen würden. "Ich
wäre sehr überrascht, extrem enttäuscht und sehr besorgt, sollten 
anerkannte Doping-analyseverfahren bei Olympia nicht verwendet worden
sein", erklärte WADA-Generaldirektor David Howman.
Arne Ljungqvist sagte in einer Reaktion auf die Recherchen der 
ARD-Sportschau, dass das IOC beabsichtige, die Nachtests der Pekinger
Proben auszuweiten. "Sobald die Nachweisverfahren im Routinesystem 
sind, werden wir die Peking-Proben auch auf SARMs und bisher 
unbekannte Designer-Steroide untersuchen. Das ist unser Plan." Auch 
Nachtests auf die in Lausanne lagernden Dopingproben der Sommerspiele
2004 und Winterspiele 2006 werden im IOC erwogen: "Es kann sein, dass
wir auch die Proben von Athen und Turin auf diese Substanzen hin 
untersuchen werden. Das werden wir noch besprechen", so Ljungqvist.
Anabole Designer-Steroide gelten nach der Entdeckung des 2003 vom 
US-Balco-Labor produzierten THG in der Dopingszene als weit 
verbreitet und fördern wie klassische Anabolika den Muskelaufbau. 
WADA-Vizepräsident Arne Ljungqvist bestätigte einen großen Missbrauch
solcher Mittel: "Wir wissen, dass eine Menge Designer-Steroide im 
Umlauf sind, ganz sicher." In Expertenkreisen heißt es, 
Designer-Steroide seien für versierte Chemiker in Untergrund-Laboren 
der Doping-Szene mit vergleichsweise geringem Aufwand herzustellen.
Auch SARMs wirken wie Anabolika auf das Muskelwachstum, haben aber
nach Angaben von Experten nicht die gesundheitsgefährdenden 
Nebenwirkungen. Proteasen wurden schon vor Jahren von Dopern vor 
allem im Profiradsport zur Verschleierung von Doping-Abbauprodukten 
um Urin benutzt, um Analytiker hinters Licht zu führen.

Pressekontakt:

ARD-Dopingredaktion
Tel. 0172/3846811

Uwe-Jens Lindner
WDR-Pressestelle
Tel. 0173/5469044

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