Alle Storys
Folgen
Keine Story von Westfalen-Blatt mehr verpassen.

Westfalen-Blatt

Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum NSU-Prozess

Bielefeld (ots)

Ja, sie kann »Ja« sagen. Nach zweieinhalb Jahren ist im NSU- Verfahren Bemerkenswertes geschehen. Richter Manfred Götzl fragte am 17. Juni: »Frau Zschäpe, sind Sie bei der Sache?« Die sonst hartnäckig schweigende Angeklagte schreckte hoch und ließ nicht ihre Anwälte antworten, sondern gab ein deutlich vernehmbares »Ja« von sich. Der Ausruf war weder patzig noch provokativ, was ihrer meist gezeigten Haltung entspräche. Er war ein Indiz für absolute Funkstille zwischen der Angeklagten und ihren drei Pflichtverteidigern. Juristisch ist ein fehlendes Vertrauensverhältnis auf der Verteidigerbank heikel, kann aber prozessentscheidend werden und im Extremfall sogar zur Sabotage des Verfahrens führen. Bislang hat die Nazi-Braut nicht den Versuch unternommen, das NSU-Verfahren zu einem politischen Prozess nach dem RAF/Stammheim-Muster zu machen. Das könnte Zschäpe nur dann gelingen, wenn der Prozess wegen eines totalen Zerwürfnisses auf der Anklagebank doch noch platzt. Richter und Staatsanwälte stünden mit leeren Händen da und der Rechtsstaat würde am Nasenring durch die Arena gezogen. Das dürfte ihren dumpf-braunen Fans auf der Tribüne wie im ganze Lande gefallen. Grundsätzlich hat ein Angeklagter keinen Anspruch auf Abberufung eines Verteidigers, zu dem er kein Vertrauen zu haben glaubt. Der Vorsitzende Richter muss allerdings die Gründe einer Vertrauenskrise sorgfältig erwägen. Der »Karlsruher Kommentar« rät Richtern in solchen Fällen: »Er sollte die Bestellung zurücknehmen, wenn dies der Verteidigung dient und der ordnungsgemäßen Durchführung des weiteren Verfahrens nicht im Wege steht.« Das alles wird Götzl bedacht haben, als er zwar keinen der drei Pflichtverteidiger entließ, dafür aber einen vierten Anwalt zuließ und den Prozess gestern sogar für dessen Einarbeitungszeit unterbrach. Götzl will auf gar keinen Fall einen Fehler machen. Zumal später eine Revision so gut wie sicher ist. Immerhin hat Götzl es geschafft, die zehn zur Last gelegten Morde korrekt und nach Auffassung von Beobachtern umfassend aufzuarbeiten. Zugleich hat er nicht erkennen lassen, zu welchem Urteil er kommen könnte. Als gewiss erscheint Außenstehenden, dass Beate Zschäpe die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung klar nachgewiesen worden ist. Etwas anderes ist die Frage ihrer Mittäterschaft an den zehn Morden und vermutlich 17 Banküberfällen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Götzl hat klug reagiert. Der Vorsitzende Richter setzt mehr denn je auf die »ordnungsgemäße Durchführung« des (Rest-)Verfahrens. Das könnte ihn veranlassen, noch in diesem Jahr sein Urteil zu fällen.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Chef vom Dienst Nachrichten
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

Weitere Storys: Westfalen-Blatt
Weitere Storys: Westfalen-Blatt
  • 05.07.2015 – 21:45

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zu Griechenland

    Bielefeld (ots) - Die Griechen haben »Nein« gesagt. Deutlich und unüberhörbar. Und nun? Vorerst geht das Ringen weiter - auch wenn die Verhandlungen immer schwieriger werden und man nie weiter von einer Lösung entfernt war. Doch so sehr man sich über die Hasardeure in der hellenischen Regierung ärgern muss, so wenig kann Griechenland seine Probleme per ...

  • 05.07.2015 – 21:00

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Ende des Poststreiks

    Bielefeld (ots) - Endlich! Endlich kommt die Post wieder. Viele Bürger haben dringend auf einen Brief oder ein Päckchen gewartet oder sie wollten - umgekehrt - sicher sein, dass ihre (wichtigen) Sendungen pünktlich beim Empfänger ankommen. So mancher Online-Händler sah sich sogar in seiner Existenz bedroht. Die nun erfolgte Einigung ist ein Kompromiss. Es ist gut ...

  • 05.07.2015 – 21:00

    Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur AfD

    Bielefeld (ots) - Dass in einer Partei Streit auf offener Bühne tobt, ist kein Alleinstellungsmerkmal der AfD. Das kennt man auch von den anderen. Allerdings: Die verbale Rohheit, die Hemmungslosigkeit, die sich am Wochenende auf dem Parteitag der Alternative in Essen gezeigt hat, ist bezeichnend. Wie ein räudiger Hund wurde Bernd Lucke vom Hof gejagt, ausgebuht und ...