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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) über die Leipziger Buchmesse

Bielefeld (ots)

Leipzig hat es leichter als Frankfurt. Zur
Buchmesse in der Mainmetropole ritten die Medien scharfe Attacken 
gegen die Verantwortlichen, weil die vor China einknickten und 
Regimekritiker ins Leere laufen ließen. Skandal!, rief das 
Feuilleton.
Zu einem Skandal hat es in Leipzig nicht gereicht, aber eine schöne 
Affäre wäre es doch geworden. Nur ist eben Schwerin nicht China, und 
so blieb die Peinlichkeit unter der Decke: Zu den Kandidaten für den 
Leipziger Buchpreis zählte anfangs auch der Schweriner Autor Norbert 
Leithold, der ein fulminantes Sachbuch über den Grafen Goertz 
geschrieben hat, über jenen Diplomaten, der an Goethes 
Frühstückstafel dem Weimarer Prinzen Carl August die Welt erklärte.
 Leithold wurde dann mit der Begründung von der Liste gestrichen, er 
schmücke sich in seinem Lebenslauf mit einem Preis, den aber - die 
Leipziger Jury rühmt sich eifriger Recherchen - ein gewisser Norbert 
Bleisch erhielt.
Das ist korrekt. Man setzt sich keinen fremden Lorbeerkranz auf. 
Leider aber sind Herr Bleisch und Herr Leithold identisch, und wenn 
derart fundamentale Dinge unentdeckt bleiben, taugt die schönste 
Recherche nichts.
 Aber blieben die Dinge überhaupt unentdeckt? Wohl kaum. Die 
Leipziger Jury fürchtete sich vor etwas ganz anderem: Bleisch hat 
einen islamkritischen, politisch also nicht korrekten Kurzroman 
geschrieben, eine dürftige Fingerübung, die unter dem Titel »2040« im
Internet kursiert. Außerdem aber - und hier wird's dann unappetitlich
- drehte er Pornos mit Minderjährigen, wofür ihn die Schweriner 
Justiz zweieinhalb Jahre ins Gefängnis schickte.
Zum Glück für die Jury schwieg das Feuilleton. Das ging gerade noch 
mal gut. Auf den Tritt ins zweite Fettnäpfchen wiederum lauerte die 
literarische Welt vergeblich: Helene Hegemann bekam den Buchpreis 
nicht. Die junge Dame, die diverse Passagen in »Axolotl Roadkill« 
erstens abgeschrieben, zweitens bei einem schlechten Autor 
abgeschrieben, drittens den hanebüchenen Unsinn nicht selbst erlebt 
und ihn viertens in dürftiges Deutsch gekleidet hatte, wurde zwar 
nominiert, aber dann verließ die Jury doch die Traute.
 Die Jurypräsidentin Verena Auffermann maulte zwar, sie lasse sich 
nicht unter Druck setzen, aber gegen Gegner von solchem Format hatte 
sie keine Chance: Seriöse Schriftsteller wie Günter Grass, Christa 
Wolf und Erich Loest hatten in der »Leipziger Erklärung« Plagiate im 
Stile Hegemanns als das bezeichnet, was sie sind - als geistigen 
Diebstahl.
Das wurde, wie so vieles, einfach weggelächelt, und so wird die 
Leipziger Buchmesse als Fest der Harmonie in Erinnerung bleiben. 
Viele Kinder kamen, obwohl das klassische Kinderbuch einen langsamen 
Tod stirbt. E-Books wurden gut versteckt, denn wenn ich das digitale 
Gespenst nicht sehe, existiert es nicht. Und aus dem Bundestag ist zu
hören, man wolle das Urheberrecht stärken.
Alles wird gut.

Pressekontakt:

Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261

Original-Content von: Westfalen-Blatt, übermittelt durch news aktuell

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