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NDR Norddeutscher Rundfunk

50 Jahre NDR: Festakt in Hamburg

Hamburg (ots)

Mit einem Festakt in der Hamburger Laeiszhalle hat
der Norddeutsche Rundfunk (NDR) am Mittwochnachmittag (11. Januar) 
sein 50jähriges Bestehen gefeiert. Rund 900 geladene Gäste - 
Vertreter des öffentlichen Lebens in Norddeutschland sowie 
Aufsichtsgremien und Mitarbeiter des NDR - nahmen an der 
Veranstaltung teil. Den Festvortrag hielt Prof. Dr. Wolfgang 
Hoffmann-Riem, Richter des Bundesverfassungsgerichts. Der NDR hatte 
am 1. Januar 1956 seinen Sendebetrieb aufgenommen. Hervorgegangen war
er aus dem nach Kriegsende in Hamburg gegründeten Nordwestdeutschen 
Rundfunk, der Mitte der 50er-Jahre aufgeteilt wurde in den NDR als 
Rundfunkanstalt für die Länder Niedersachsen, Schleswig-Holstein und 
Hamburg sowie den WDR als Sender für Nordrhein-Westfalen.
Dagmar Gräfin Kerssenbrock, Vorsitzende des NDR Rundfunkrats, 
zeigte sich in ihrem Grußwort erfreut, dass die Absichten der 
Rundfunkgründer im Norden zu einem öffentlich-rechtlichen Sender 
geführt hätten, "den wir in seiner Funktion für unsere Gesellschaft 
mit Stolz im europäischen Vergleich präsentieren können". Die 
Kultur-und Informationsfreiheit in Deutschland und die dafür 
geschaffenen Institutionen basierten auf unserem Grundgesetz, so 
Kerssenbrock. "Ihr Sinn für unsere Gesellschaft ist nicht mit 
wettbewerbspolitischen Grundsätzen erfassbar - auch wenn sie von der 
EU kommen."
Dr. Rosemarie Wilcken, Vorsitzende des NDR Verwaltungsrats, 
erinnerte u. a. an das Hinzutreten von Mecklenburg-Vorpommern als 
viertes Staatsvertragsland mit Jahresbeginn 1992. "Ich bin in einem 
Land aufgewachsen ohne Demokratie und ohne Informations- und 
Meinungsfreiheit. Genau deshalb ist es mir wichtig, die 
Selbstverwaltung im NDR durch seine Gremien zu stärken und vor 
staatlichen Eingriffen zu schützen", so Wilcken.
Prof. Dr. Hoffmann-Riem warnte in seinem Festvortrag vor einem 
"Prozess der Erosion der publizistischen Besonderheit der 
Massenkommunikation", an dem auch die EU-Kommission einen Anteil 
habe, weil sie Industriepolitik vor Medienpolitik setze. "Auch die 
Bundesregierung handelt im Sog dieser Vorgaben, etwa wenn sie 
gegenwärtig an einem einheitlichen Rechtsrahmen für die neue 
Medienwelt bastelt", so Hoffmann-Riem. Besonderes Augenmerk 
verdienten nach seiner Auffassung die gegenwärtig beobachtbaren 
Versuche von Infrastrukturunternehmen wie Kabelgesellschaften, ihre 
bisherige Rolle als neutrale 'public carrier' durch die eines 
multimedial aktiven Unternehmens auszutauschen.
Die aktuelle Konzentrationswelle, so Hoffmann-Riem, werde 
angetrieben durch die Aussicht auf neuartige crossmediale 
Synergieeffekte und Steuerungsmöglichkeiten. Die jüngste Einigung von
Kabelnetzbetreibern und kommerziellen Rundfunkanbietern mache eine 
"digitale Mautstelle" möglich, die der Anfang vom Ende der Trennung 
von Pay TV und Free TV im kommerziellen Fernsehen sein könne. 
Hoffmann-Riem: "Ich sage voraus, dies wird gravierende 
medienpolitische Folgen auch für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk 
haben. Dessen Chancen, angemessene Gebühren zugestanden zu bekommen, 
sinken, wenn die Bürger nunmehr zusätzlich Entgelte für den Empfang 
kommerzieller Vollprogramme zahlen müssen." Hoffmann-Riem bezeichnete
diese Entwicklung als aus seiner Sicht "die zurzeit stärkste 
Bedrohung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk."
Angesichts veränderter Nutzergewohnheiten und rascher 
Weiterentwicklung des Internets sieht Hoffmann-Riem eine wachsende 
Bedeutung dieses Mediums für die Information über gesellschaftliche 
und politische Ereignisse. "Es entspricht nicht dem Geist der 
Entwicklungsgarantie und es kann sich dementsprechend als 
medienpolitischer Fehler mit unabsehbaren Folgen erweisen, dass der 
öffentlich-rechtliche Rundfunk staatsvertraglich bei der 
Online-Kommunikation auf Randnutzungen und Annexdienste begrenzt 
ist., ihm also die Erfüllung seiner überkommenen Aufgaben in einem 
besonders wichtigen Segment der Massenkommunikation grundsätzlich 
verwehrt wird."
NDR Intendant Prof. Jobst Plog wies in seiner Rede auf wiederholte
Bestrebungen von Regierungen und Parteien hin, ihren Einfluss auf den
Rundfunk auszuweiten. "Auseinandersetzungen zwischen dem Rundfunk und
der Politik hat es in der 50jährigen Geschichte des NDR immer wieder 
gegeben, und es wird sie auch weiter geben", so Plog. "Dabei wird 
immer wieder der Sinn eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens zu 
verteidigen sein: die Unabhängigkeit von Staat und Politik einerseits
und von kommerziellen Interessen anderseits. Dafür zahlen die 
Bürgerinnen und Bürger Rundfunkgebühren." Der NDR habe sich zu einem 
konkurrenzfähigen, nach professionellen Kriterien geführten und 
unabhängigen öffentlich-rechtlichen Unternehmen entwickelt, das 
allein den Interessen der Bürgerinnen und Bürger verpflichtet sei.
Mit Blick auf die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks 
mahnte Plog, dessen Entwicklungsfähigkeit im dualen System nicht 
weiter zu schwächen. Eine aktuelle Untersuchung der 
Landesmedienanstalten habe ergeben, dass die Erträge der 
kommerziellen Sender schon im Jahr 2004 um fünf Prozent gestiegen 
seien, während die öffentlich-rechtlichen Sender mit der 
Gebührenanpassung eine Ertragssteigerung von unter zwei Prozent 
erhielten, also gerade einen Inflationsausgleich. Plog: "Die 
anachronistische Beschränkung der Zahl unserer Programme in Hörfunk 
und Fernsehen gefährdet unsere Zukunft, denn die Digitalisierung wird
eine Explosion der Kanalzahlen mit sich bringen. Wer gesehen werden 
will, muss in dieser Flut auch gefunden werden!"
Den musikalischen Rahmen der rund zweistündigen Festveranstaltung 
setzte das NDR Sinfonieorchester unter der Leitung seines 
Chefdirigenten Christoph von Dohnányi. Zu hören waren die Ouvertüre 
aus der "Feuerwerksmusik" von Georg Friedrich Händel und das Vorspiel
zu "Die Meistersinger von Nürnberg" von Richard Wagner.
Für den Abend des 11. Januar hat Hamburgs Erster Bürgermeister Ole
von Beust zu einem Senatsempfang aus Anlass des NDR Jubiläums ins 
Rathaus der Stadt geladen.
11. Januar 2006

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