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Neue Westfälische (Bielefeld)

Neue Westfälische: Neue Westfälische Bielefeld: KOMMENTAR Protest der Schüler und Studenten Die Uhr läuft BERNHARD HÄNEL

Bielefeld (ots)

Es ist ein europäischer Protest, es ist ein
vernetzter Protest und es ist ein Protest, der noch lange nicht 
beendet sein dürfte. Mit dem von ihnen als Bildungsstreik 
bezeichneten Aktionen fordern Studenten wie Schüler ihr Recht auf 
Bildung ein. Was wir in dieser Woche erlebten, ist keine Revolution 
und auch keine Studentenrevolte, sondern der schlichte Wunsch, 
einfach vernünftig lernen zu dürfen.
Da geht es um große Dinge, wie eine Studienstrukturreform oder die 
Abschaffung der Studiengebühren oder ganz alltägliche, wie bei 
Vorlesungen oder Seminaren nicht auf dem Boden sitzen zu müssen oder 
das Anrecht auf Teilnahme per Losentscheid zu bekommen. Die Schüler 
wiederum klagen über den überhand nehmenden Leistungsdruck durch das 
Turbo-Abitur und den Ausleseprozess im deutschen Schulsystem.
Erstaunlich und auch ein wenig lächerlich ist die plötzliche Einsicht
der Politiker, von der Bundeskanzlerin bis hin zu den 
Wissenschaftsministern, dass die Bachelor-Studienreform 
verbesserungsbedürftig sei. Deren späte Betroffenheit macht die 
Studis betroffen: Sie fühlen sich schon seit Jahren verschaukelt. Die
Bundesbildungsministerin schiebt die Schuld auf die Länder, die auf 
die Unis und die wiederum reichen sie zurück an die Länder. So etwas 
nennt man kollektive Verantwortungslosigkeit. Da beißt sich schlicht 
der Hund in den Schwanz. Das erklärt die Wucht des Protestes 
mancherorts, denn in einem System der Verantwortungslosigkeit kann 
man sich schnell mal die Zähne ausbeißen oder durchaus auch mal über 
die Stränge schlagen.
Gleich durch zwei Roste droht der Protest zu fallen: Die 
Föderalismus- und die Autonomiefalle. Bei der Föderalismusreform 
haben sich die Länder nahezu die komplette Alleinzuständigkeit für 
die Bildungspolitik erstritten. Damit kann jedes Land seinen eigenen 
Murks veranstalten. Die Autonomiefalle macht die Dinge nicht 
leichter. Die Hochschulen haben zwar viel Entscheidungsspielraum 
bekommen, den aber können sie nur so weit nutzen wie Geld zur 
Verfügung steht. Das aber ist knapp. Nicht von ungefähr will keine 
Hochschule ernsthaft auf Studiengebühren verzichten.
Deutschlands akademischer Nachwuchs muss sich dem europäischen 
Vergleich unter wettbewerbsverzerrenden Bedingungen stellen. 
Auffallend gering ist der Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der für die
Unis aufgewendet wird: 1,0 Prozent in Deutschland, 1,4 Prozent in der
Schweiz und 1,5 Prozent in den Niederlanden. Weil das Geld nicht 
reicht, wird Druck gemacht. Schnell soll alles gehen, der Blick über 
den Tellerrand des eigenen Faches wäre zeitraubend und kostspielig. 
Kein Wunder, dass die Studierenden bei dieser Einengung um ihre 
berufliche Zukunft fürchten.
Machen Politik und Hochschulen nicht flugs und gründlich ihre 
Hausaufgaben, stehen uns heiße Jahre an Schulen und Hochschulen 
bevor. Spätestens wenn zwei Abitur-Jahrgänge zur gleichen Zeit in die
Hochschulen drängen, müssen den Lippenbekenntnissen Taten gefolgt 
sein. Die Uhr läuft.

Pressekontakt:

Neue Westfälische
Jörg Rinne
Telefon: 0521 555 276
joerg.rinne@neue-westfaelische.de

Original-Content von: Neue Westfälische (Bielefeld), übermittelt durch news aktuell

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