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Mittelbayerische Zeitung: Koalition der Getriebenen
Will die schwarz-rote Regierung wieder Vertrauen zurückgewinnen, muss sie durch wirkliche Sacharbeit überzeugen
Von Reinhard Zweigler

Regensburg (ots)

Eine Regierungskoalition ist keine Wunschehe, bei der sich liebende Partner ewige Treue schwören. Die jetzige GroKo ist vielmehr die letzte verbliebene, halbwegs vernünftige politische Not-Ehe. Wäre sie vor einem halben Jahr nicht doch noch zustande gekommen, hätte der Ausweg aus der Krise nur Neuwahlen bedeuten können. Allerdings war die Unwägbarkeit des Ausgangs eines erneuten Urnengangs für den Bundestag zugleich ein gewichtiges Argument für eben jene GroKo, die das Land seither ertragen muss. Und was das Schlimme ist, nur notdürftig zusammengezimmert, quält uns dieses Regierungsbündnis von Beginn an mit Streitereien, dass es einen graust. Das kleine Pflänzchen Vertrauen, das Grundlage jeder Zusammenarbeit in einer Regierung - wie im Verhältnis zum Volk - ist, wurde immer wieder zertrampelt. Und zwar nicht nur von "Crazy Horst", der seine politische Dauerfehde mit Flüchtlings-Kanzlerin Angela Merkel bis an den Kabinettstisch trägt, sondern auch von der Kanzlerin selbst sowie von der offenbar überforderten SPD-Chefin Andrea Nahles. Als wäre das unsinnige, von Seehofer auf die Bühne gebrachte Sommertheater zur Zurückführung registrierter Flüchtlinge an der Grenze nicht schon des Üblen zu viel, stand die letzten drei Wochen der "Fall Maaßen" auf dem Spielplan. Im Unterschied zum Theater gab es allerdings kein Szenarium, keinen Plan, sondern man stolperte munter in Richtung Abgrund. Dass der umstrittene Verfassungsschutz-Chef nun doch nicht zum besser besoldeten Innen-Staatssekretär wegbefördert, sondern "nur" Sonderberater des Innenministers wird, gehört zu diesem absurden Theater halbgarer Entscheidungen der drei GroKo-Oberen. Seehofer, Merkel und Nahles hatten offenbar kein Gespür mehr dafür, welchen Sturm der Entrüstung ihre Entscheidung im Fall Maaßen vom letzten Dienstag im Land auslösen würde. Diese GroKo ist zu einer Koalition der Getriebenen geworden. Getrieben von den dramatisch einbrechenden Umfragewerten für alle drei Parteien, getrieben vom Dauerstreit zwischen den Chefs von CSU und CDU über die Flüchtlingspolitik, getrieben vor der Angst vor der rechtspopulistischen AfD, getrieben von der Furcht vor Neuwahlen und vor dem Machtverlust - in Berlin, vor allem aber in München. Vielleicht hat diese Koalition noch eine kleine Chance. Nämlich die, durch harte Sacharbeit Probleme der Menschen zu lösen und damit Vertrauen zurückzugewinnen. Diese Chance freilich ist klitzeklein. Dabei liegen die Probleme, die die Menschen bewegen, förmlich auf der Straße. Der ungelöste Diesel-Skandal stinkt zum Himmel. Noch fehlt der Regierung der Mumm, die Autohersteller zur Verantwortung und zu nachhaltiger Nachrüstung der Fahrzeuge zu zwingen, die sie mit Schummelsoftware ausgerüstet haben. Berlin steht in dieser Frage gegenüber Millionen Dieselfahrern sowie sauberer Luft in den großen Städten in der Verantwortung. Dass sozialer Wohnungsbau in Ballungszentren angekurbelt und wirksamer Mieterschutz eingeführt werden muss, weiß man eigentlich seit Jahren. Nur geschehen ist erschreckend wenig. Die tun was - hatte einst ein großer Autobauer aus Köln geworben. Diese Regierung aber tut viel zu wenig für sichere Renten, für Pflege, für Bildung, für Innovationen, für Digitalisierung, für ein leistungsfähiges Breitbandnetz, für eine bezahlbare Energiewende, für eine zuverlässige, moderne Eisenbahn. Dass die Wirtschaft im neunten Jahr in Folge brummt, ist ein Verdienst der Wirtschaft selbst, nicht der Regierung. Aber die muss heute dafür sorgen, dass das auch morgen so bleiben kann. Der Bedarf nach wirklichen Weichenstellungen in die Zukunft ist viel größer als das politische Angebot dieser GroKo, die sich im kleinlichen Streit selber lähmt.

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