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Mittelbayerische Zeitung: Recht und billig
Ob das Bremer Urteil im Fußballkostenstreit Bestand haben wird, steht dahin. Doch es hat Signalwirkung. Die boomende Branche darf sich ihrer Verantwortung nicht entziehen.

Regensburg (ots)

Man hüte sich vor vorschnellen Urteilen. Für komplexe juristische Themen gilt das ohnehin. Rasch gerät man in die Nähe des zurecht übel beleumundeten gesunden Volksempfindens. Dieses nimmt den Spruch des Oberverwaltungsgerichts Bremen im Fußballkostenstreit überwiegend mit Genugtuung zur Kenntnis. Maßlos überbezahlte Millionäre in kurzen Hosen wenigstens indirekt ein bisschen zur Kasse zu bitten, das ist ein populärer Gedanke. Ähnlich populär wie der vermeintliche Volkssport Fußball selbst. Doch einmal abgesehen von der Ungewissheit, ob diese Bremer Entscheidung der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig standhalten wird, wirft sie grundsätzliche Fragen auf. Gewinnorientiert kann beispielsweise auch eine Kleinkunstbühne handeln, die in einem ambitionierten Projekt die Aufführung eines umstrittenen, gesellschaftspolitisch relevanten Stückes stemmt. Es kommt zu Protesten, eventuell sogar gewalttätigen. Die Polizei vor Ort muss einschreiten, fordert einen Obolus für die Einsätze ein - und treibt das Theater damit in den finanziellen Ruin? Dieses Szenario kann im Ernst keiner wollen - ebenso wenig wie Sicherheitsgebühren bei Volksfesten oder vergleichbaren öffentlichen Belustigungen. Mit solchen wohlfeilen Beispielen geht die Deutsche Fußball-Liga (DFL) nun hausieren. Sicherheit sei nun mal eine öffentliche Aufgabe. Punktum! Für den gemeinen Steuerzahler heißt das: Pech gehabt. Er darf, nein: muss das Vergnügen seiner Mitbürger mitfinanzieren, und sei er noch so ein Fußballverächter vor dem Herrn. Doch die Argumentation des organisierten Fußballs geht in diesem Fall ins Leere. Juristen verweisen darauf, dass im Fall des Stadtstaates Bremen alles nach Recht und Gesetz gelaufen ist. Die Bürgerschaft der Hansestadt hat eine Gebührenverordnung zur Finanzierung von Polizeieinsätzen bei gewinnorientierten Großveranstaltungen erlassen. Und nur für diese! Darunter fallen höchstens noch gigantische Stadionkonzerte à la U2 und Scorpions, aber gewiss nicht die Aufführungen einer Kleinkunstbühne oder die Kirmes um die Ecke. Es kann nicht Aufgabe der Allgemeinheit sein, ein brummendes Milliardengeschäft wie die Unterhaltungsbranche Profifußball zu alimentieren. Es ist nur recht und - mit Euro-Beträgen im sechsstelligen Bereich pro Hochrisikospiel - sogar vergleichsweise billig, die Vereine und ihren prosperierenden Dachverband bei der Finanzierung heranzuziehen. Die empörten Reaktionen aus der Branche lassen indes jede Einsicht vermissen. Sie zeugen von der Hybris der Funktionäre, die sich gesellschaftlicher Verantwortung längst enthoben wähnen, weil ihre Sportart in eigenen Sphären schwebt. Dabei duckt sich der Fußball - von einigen Feigenblatt-Aktionen auf schmaler finanzieller Basis mal abgesehen - seit Jahrzehnten reflexartig weg, wenn es um Phänomene wie Gewalt in den Stadien oder Rassismus auf den Rängen geht. Solche Missstände wertet er lieber als gesamtgesellschaftliche Phänomene, die leider das hohe Gut Fußball als prominente Bühne für sich auserkoren haben - und es für ihre Zwecke missbrauchen. Nicht ausgeschlossen, dass das Bundesverwaltungsgericht als höchste Instanz die Frage juristisch anders bewertet und der Bremer Praxis einen Riegel vorschiebt. Der Kommerzbetrieb Fußball könnte in diesem Fall nochmals triumphieren. Doch das Signal, das von dem Rechtsstreit ausgeht, bleibt unübersehbar: Wer in unserer Verfassung nach einer Klausel mit dem Grundrecht auf Profifußball sucht, der wird keine finden. Er findet Aussagen zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und zur freien Berufswahl. Aber beidem sind Grenzen gesetzt.

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