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Mittelbayerische Zeitung: Mit der Gefahr leben lernen
Die Ängste derzeit sind verständlich, aber irrational. Wir müssen uns eine gewisse Gelassenheit antrainieren. Leitartikel von Christine Straßer

Regensburg (ots)

Der islamistische Terror trifft in Momenten der Freude und Sorglosigkeit. Die Verunsicherung ist dramatisch. Wenn das überhaupt möglich war, ist dieses Gefühl der Unsicherheit nach der Absage des Länderspiels in Hannover noch gestiegen. Die ungeschickte Nicht-Erklärung der Absage von Innenminister Thomas de Maizière tat ihr übriges. Jetzt geht das mulmige Gefühl bei vielen mit auf dem Weg ins Fußballstadion, in den Konzertsaal oder zum Weihnachtsmarkt. Zumindest erlaubt es die Phantasie, sich viel auszumalen. In schlaflosen Nächten laufen Szenarien vor dem inneren Auge ab, in welchen Momenten es einen Anschlag geben könnte. Ist es zu gefährlich mit der U-Bahn zu fahren? Sollte man es vermeiden, einen Zug oder ein Flugzeug zu besteigen? Solche Ängste zu haben, ist verständlich. Es wäre sogar unmenschlich, wenn sie nicht aufkämen. Aber ein Stück weit ist die Angst, Attentatsopfer zu werden, auch irrational. Über diese Angst zu sprechen, sie zu analysieren, ist notwendig, um sie in Zukunft zu beherrschen. Denn das werden wir müssen. Um die Verunsicherung zu überwinden, könnte es helfen, sich an ein Schulfach zu erinnern, dass viele allzu gerne vergessen haben: die Mathematik. Genauer gesagt die Wahrscheinlichkeitsrechnung. Seit 2001 sind zwei Menschen in Deutschland durch einen islamistischen Terroranschlag ums Leben gekommen. Im selben Zeitraum verunglückten mehr als 6700 Radfahrer tödlich. Zudem: Seit 2001 starben in Deutschland rund 90 000 Menschen bei Unfällen im Haushalt. Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland durch einen islamistischen Terroranschlag ums Leben zu kommen, ist also im Vergleich extrem gering. Die logische Schlussfolgerung: Deutschland ist sicher. Ganz so einfach ist es natürlich leider nicht. Allein mit dem Hinweis auf mathematische Faktoren verfliegt die Angst vor dem Terror nicht. Die gefühlte Bedrohung ist schließlich eine ganz andere Sache als die tatsächliche Bedrohung. Aber die Rückkehr zur Sachlichkeit, ist wichtig. In Deutschland ist die Terrorgefahr für die Menschen nichts Vertrautes. Den besonnenen Umgang damit müssen wir uns erst noch antrainieren. Die Absage des Länderspiels ist vielleicht sogar ein richtiger Schritt in diese Richtung. Es hilft in diesen Tagen womöglich auch, sich daran zu erinnern, dass wir eine ähnliche Phase der Verunsicherung ja Anfang dieses Jahres schon einmal erlebt haben. Das war nach den Anschlägen auf Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt in Paris. Damals wurden eine Pegida-Demonstration und eine Gegenveranstaltung abgesagt. Genauso wie ein Karnevalsumzug in Braunschweig. Auf ein Radrennen in Oberursel soll ein Bombenanschlag geplant worden sein. Und die Bremer erlebten einen Aufmarsch bewaffneter Polizisten. Alle, die für die Sicherheit in diesem Land verantwortlich sind, sind nun wieder aufs Höchste angespannt. Was vergangene Woche für unmöglich gehalten wurde, wird jetzt für möglich gehalten. Ein Risiko möchte im Moment niemand eingehen. Deshalb ist auch damit zu rechnen, dass es zu Entscheidungen kommt, von denen es im Nachhinein heißt, dass sie übertrieben waren. Und: Glücklicherweise hat sich der Alarm als falsch herausgestellt. Das gehört dazu. So seltsam es klingt, aber wir müssen eine gewisse Gelassenheit entwickeln und die Möglichkeit eines Terroranschlags als Lebensrisiko hinnehmen. Angst ist keine Weltanschauung. Jedenfalls keine, mit der man leben möchte. Anders gesagt: Es ist ja nicht plötzlich falsch, ein Fußballspiel, ein Konzert oder einen Weihnachtsmarkt zu besuchen. Das bedeutet ja zu leben. Und das ist zu allen Zeiten, das Beste was man tun kann.

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