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Mittelbayerische Zeitung: Rechnen und tricksen

Regensburg (ots)

Von Reinhard Zweigler

Derzeit winden die schwarz-roten Koalitionäre viele Wortgirlanden um den mit Hängen und Würgen zustande gebrachten Koalitionsvertrag. Von einer "großen Koalition für große Aufgaben" ist großspurig die Rede, von einem "Vertrag für die Bürger", heißt es leutselig. Dass es in den vergangenen fünf Wochen zwischen SPD und Union so zäh voranging, hat vor allem auch damit zu tun, dass sich hier zwei Partner zusammenraufen mussten, die zwei sehr unterschiedliche, bis offen konträre Finanzierungs-, Haushalts- und Steuerkonzepte vertreten. In der künftigen Großkoalition wurden gewissermaßen Feuer und Wasser vereint, auf vertraglicher Basis inzwischen. Heraus kam ein etwas abgespecktes Wohlfühl-Programm, dass vor allem den sozialpolitischen Wünschen beider Seiten Rechnung trägt, garniert mit einigen Zukunftsinvestitionen. Motto: Möglichst allen gut, aber keinem wehtun. Wirklich klare Konturen mit Blick auf die Herausforderungen der Zukunft, auf Wettbewerbsfähigkeit, Bildung und Forschung sowie die gravierenden demografischen Veränderungen etwa, enthält die künftige Haushalts- und Finanzpolitik der Großkoalition kaum. Schwarz-Rot "verfuttert" das, was in den vergangenen Jahren erwirtschaftet wurde. Dabei waren die beiderseitigen Wünsch-Dir-was-Listen noch üppiger und länger. Mütter- und Solidarrente etwa wollte die Union. Auch durfte es keinerlei Abstriche beim Betreuungsgeld geben, dass von der CSU vorgebracht und im Sommer eingeführt worden war. Auf mehr Geld für den Ausbau von Kinderbetreuung, Ganztagsschulen sowie die abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren, bei 45 Versicherungsjahren, pochte die SPD. Einig war man sich bei Schwarz und Rot ohnehin, dass das Füllhorn für Forschung, Hochschulen, Kommunen oder für die Infrastruktur aufgemacht werden müsse. Die Unterhändler beider Seiten schrieben flott die Wunschlisten fort - und landeten zwischenzeitlich bei Mehrausgaben von 50 Milliarden Euro. Man war so frei - sparen war gestern. Der gewiefte Bundeskassenwart Wolfgang Schäuble hat den hochfliegenden Wünschen der Koalitionäre für die nächsten vier Jahre nicht nur ein enges Korsett von 15 Milliarden Euro verpasst, sondern er hat zugleich die Sozialdemokraten ausgetrickst. Mit kreativer Buchführung hat er den Finanzrahmen für künftige Mehrausgaben ausgedehnt, hat stille Reserven aktiviert, so dass die Koalition unter dem Strich doch etwas mehr ausgeben darf, als zuvor angenommen. Und so ganz nebenbei ließ Schäuble die Sozialdemokraten abblitzen, die etwa die Mütterrente aus dem allgemeinen Steuerhaushalt bezahlen wollten. Wo sie hingehört - anstatt in die Rentenkasse der Beitragszahler. Doch damit hat sich der listige Schäuble einmal mehr auch als ein unverzichtbarer Aktivposten in einem künftigen Kabinett von Angela Merkel empfohlen. Zwar hält Schwarz-Rot die Kabinettsliste wegen des SPD-Mitgliederentscheids über den Koalitionsvertrag noch strikt unter der Decke, doch dass Schäuble gesetzt ist, darf niemanden überraschen. Die SPD scheint überdies den Zugriff auf das wichtige, aber unbeliebte Finanzressort zu scheuen. Einen so kreativen Kassenwart wie Wolfgang Schäuble haben die Genossen zurzeit ohnehin nicht im Angebot. Trickreich rechnen allerdings auch andere Koalitionäre den Haushalt schön. Der Noch-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) würde gern mehrere Hundert Millionen Euro aus der Pkw-Maut für Ausländer verbuchen. Ohne dass es bislang ein wasserfestes Konzept dafür gibt. Oder die - voraussichtlich künftige - Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hofft derweil auf einen warmen Steuerregen für die Sozialsysteme aus dem Bundeshaushalt. Doch auch da ist Schäuble vor.

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