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Mittelbayerische Zeitung: Versprechen gebrochen

Regensburg (ots)

Von Maria Gruber

Als Mohammed Mursi vor einem Jahr zum Präsidenten Ägyptens gewählt wurde, gab er ein Versprechen ab: Er wollte Präsident aller Ägypter sein. Dieses Versprechen hat Mursi gebrochen. Denn er und seine Muslimbruderschaft haben ihren Regierungsauftrag falsch verstanden und so Stück für Stück ihre Legitimität verspielt. Dieser Prozess begann nicht erst vor wenigen Wochen, sondern zeichnete sich schon lange ab - auch, wenn Mursi lange versuchte, nach außen hin ein anderes Bild abzugeben - das des ersten freigewählten Präsidenten Ägyptens, für den nichts über dem Willen des Volkes steht. "Ihr seid die Quelle der Macht und der Legitimität", hatte er einen Tag nach seiner offiziellen Amtseinführung erklärt. Diese Quelle der Macht war es nun, die ihn mithilfe des Militärs aus dem Amt jagte. Und das ist nur folgerichtig. Denn es sind Wohlstand, Freiheit, Pluralismus und Demokratie, worum die Ägypter schon kämpften, als sie Hosni Mubarak stürzten - und sie werden weiterkämpfen, bis sie eine Regierung haben, die nicht versucht, die Macht zu monopolisieren. Genau das aber war geschehen. Dass Mursi selbst gestern noch davon sprach, dass seine Entmachtung "von allen freien Menschen des Landes abgelehnt" werde, "die dafür gekämpft haben, dass Ägypten eine zivile Demokratie wird", beweist nur, wie weit er von seinem ursprünglichen Vorhaben entfernt war. Denn das Gegenteil ist der Fall. Gerade diejenigen, die sich unfrei fühlten und Ägypten unter Mursi eben nicht als zivile Demokratie betrachteten, gingen auf die Straße. Was daraus entstand, war die zweite Revolution Ägyptens. Vor mehr als einem Jahr war Mursi von 52 Prozent der Menschen gewählt worden, etablierte aber ein System, das die andere Hälfte Ägyptens ausschloss. Bei der Wahl hatten die Muslimbrüder einen entscheidenden Vorteil: Sie konnten auf jahrzehntelang gewachsene Strukturen zurückgreifen. Die anderen Revolutionäre jedoch waren zersplitterte Gruppen, die nicht in der Lage waren, sich zu schlagkräftigen politischen Formationen zusammenzuschließen. Dass die Muslimbrüder unter Mubarak verboten waren, verschaffte ihnen weitere Sympathiepunkte - die Menschen vertrauten ihnen, doch die Hoffnungen wurden enttäuscht. Auf die Opposition ging Mursi nie ein. Der erste Vertrauensbruch war schon die Entstehung der neuen Verfassung. Mursi hatte versprochen, sie gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Gruppen zu erarbeiten, schloss dann jedoch Liberale, Linke, säkulare Gruppen und Christen aus dem entsprechenden Gremium aus. Nachträgliche Quasi-Legitimität sollte der islamistisch geprägten Verfassung ein Referendum geben. Sie wurde zwar mit Mehrheit angenommen. Allerdings nahmen an der Abstimmung nur 36 Prozent der Ägypter teil. Keine Lösung hatte Mursi auch für die wirtschaftlichen Probleme des Landes, die einst mit Auslöser für die Revolution in Ägypten waren. Der Auftrag an eine neue Führung Ägyptens ist nun: Die Herstellung von Wohlstand, Freiheit, Pluralismus und Demokratie. Der neuen Regierung muss es gelingen, alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte einzubinden - und dazu gehört auch die Muslimbruderschaft. Sonst macht sie den selben Fehler, den einst Mursi begangen hat. Die Sorge vor einer erneuten Überreaktion ist jedoch berechtigt. So wurden Berichten zufolge Muslimbrüder festgenommen und ein Ausreiseverbot für Hunderte Mitglieder der Muslimbruderschaft verhängt, deren Fernsehsender geschlossen und prominente Nachrichtenmoderatoren festgenommen. Soll es nicht zu einem Bürgerkrieg kommen, müssen Rache und Vergeltungsaktionen verhindert werden. Hier wird das Militär zeigen müssen, ob es das Vertrauen der Menschen wirklich verdient hat.

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