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Mittelbayerische Zeitung: Links überholt - Die Union nimmt der SPD ihre Themen weg. Daran sind die Genossen selbst mit schuld. Von Christian Kucznierz

Regensburg (ots)

Haben Sie es gemerkt? Nein? Kein Wunder. In nicht einmal vier Monaten ist Bundestagswahl, und wenn es so weiter geht, geht keiner hin. Was seltsam klingt, ist Taktik, eine erfolgreiche noch dazu. 2009 hat die Union den Wahlsieg geholt, weil sie es geschafft hat, ihre eigenen Truppen zu motivieren, während die SPD-Wähler enttäuscht zuhause geblieben sind. So wie es aussieht, versucht Angela Merkel genau dieselbe Strategie erneut. Wenn die SPD nicht schleunigst gegensteuert, wird sie wieder zweiter Sieger sein. Noch ist nicht offiziell, was genau im gemeinsamen Wahlprogramm der CDU/CSU stehen wird. Das soll erst Ende Juni präsentiert werden. Aber wenn es stimmt, was jetzt durchgesickert ist, dann wird es Punkte enthalten, mit denen auch SPD-Wähler leben können. Nicht nur sparen, sondern auch mehr ausgeben, steht offenbar in Merkels Konzept. 28,5 Milliarden Euro, so berichtet das Handelsblatt, kosten die Vorschläge, die da lauten: mehr Kindergeld, verbesserte Mütterrente und Mietpreisbremse. Vor allem der letzte Punkt deckt sich zumindest thematisch mit dem Wahlkampfschlager, den die Genossen singen wollen. Doch das "Home, sweet home"-Häkeldeckchen hat sich nun die Union geklaut. "Wer hat's erfunden?", fragt die SPD und zeigt zur Antwort auf sich selbst. Das Problem aber ist: Dem Wähler ist es am Ende des Tages vielleicht egal. Denn die Union ist selbst dort zu einer Art konservativen SPD mutiert, wo es opportun ist, anstatt die Bürger mit strikt konservativen und marktliberalen Forderungen in die Arme der SPD zu treiben. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat die richtige Analyse getätigt, als er sagte, dass die SPD-Wähler 2009 nicht das Lager gewechselt und plötzlich die bürgerlichen Parteien gewählt haben. Sie sitzen laut Steinbrück "in der Wartehalle" und würden gerne abgeholt werden. Doch ob sie gerne mit Steinbrück mitgehen wollen, wenn der nichts verspricht, was die anderen nicht auch können, ist mehr als fraglich. Die SPD hat einen Fehler gemacht: Sie hat geglaubt, sie könne Merkel einen Schritt voraus sein. Weil sie ihre Strategie der "asymmetrischen Demobilisierung" von 2009 wiederholen wird, so die Annahme, wollten die Genossen ihr offensiv begegnen. Die soziale Karte, das Markenzeichen der SPD, sollte Trumpf sein. Steinbrücks Wahlkampfteam sollte zudem eine SPD zeigen, die den Agenda-Konflikt überwunden hat, indem sie Gegner und Befürworter der Reform vereint. Die SPD kam mit einem kämpferisch linken Programm daher, das ein eigentlich konservativ-sozialdemokratischer Spitzenkandidat offensiv und argumentativ fundiert vorantreibt. Steinbrück ist ein guter Kämpfer. Doch das nützt ihm nichts, weil seine Gegnerin nicht in den Ring steigen will. Merkel läßt sich nicht auf Debatten ein. Sie vermeidet den Konflikt - und schnappt sich lieber die Themen, mit denen die SPD punkten könnte. Zudem vertagt sie den Wahlkampf auf den Sommer, auf die Ferienzeit, wo der Strandurlaub und der Biergarten verlockender sind, als politische Debatten in stickigen Bierzelten. Die einzige Chance, die sich den Genossen noch bietet, ist der Großangriff auf die Kanzlerin selbst. Merkel ist bislang sakrosankt, weil die Bürger sie lieben. Sie anzugreifen ist quasi Hochverrat. Aber wer wie die SPD nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen hat, darf auch vor polemischen Attacken nicht zurückschrecken, muss die Bilanz der Kanzlerin infrage stellen, muss aufdecken, wo sie sich mit fremden Federn schmückt und vor allem: Die SPD muss zeigen, dass Merkel den Konflikt scheut. Sonst muss die Partei erneut mit der Schmach leben, links überholt worden zu sein.

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