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Mittelbayerische Zeitung: Leiartikel zur Euro-Krise

Regensburg (ots)

Babylon in Berlin

Glaubt man dem Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker, leben wir in Deutschland im Luxus. Und zwar deswegen, weil wir es uns erlauben können, mit der Euro-Schuldenkrise Innenpolitik zu machen. Juncker hat für seine Aussagen viel Schelte abbekommen. Aber er hat recht. Während in Griechenland und in Spanien die Menschen täglich die Auswirkungen der Krise spüren, weil ihre Jobs in Gefahr sind, ihre Ersparnisse, ihre Zukunft, leben wir in Deutschland noch auf einer Insel der Glückseligkeit. Die Auswirkungen der Krise nehmen wir nur als Geschützdonner in der Ferne war, wenngleich der eine oder andere Querschläger doch die Ruhe stört. Weil es aber meistens noch ruhig ist, sprechen wir seit Wochen über nichts anderes mehr als darüber, ob wir wirklich weiter alles tun müssen, um die Krise zu bekämpfen - oder die Reißleine ziehen. Knapp mehr als die Hälfte der Bundesbürger würde Letzteres befürworten, Griechenland aus dem Euro drängen und am besten zur guten alten D-Mark zurückkehren. Es ist diese Klaviatur, auf der Populisten spielen. Erste Etüden gab es von der FDP zu hören, nun hat die CSU eine ganze Partitur mit dem Titel "werft die Griechen raus - oder: alle wollen unser Geld" geschrieben. Sie wird nun von Söder, Dobrindt und Co. aufgeführt. Vorweg: Das für die Christsozialen entscheidende, vielleicht alles entscheidende Jahr 2013, in dem in Bayern der Landtag und dann der Bundestag gewählt werden, wirft seine Schatten bereits voraus. Weil diese Wahlen vom Thema Schuldenkrise überschattet sein werden, ist es nur legitim, es bereits jetzt schon zu besetzen; das machen die anderen Parteien schließlich auch. Derzeit etwa erleben die Genossen von der SPD, dass sich ein lange als chancenlos geltender Sigmar Gabriel aus der Babypause mit Ideen zur Lösung der Krise zum Spitzenkandidaten mausert. Die "Hau den Griechen"-Nummer der CSU mag zum Gassenhauer werden. Sie ist aber auch gefährlich. Erstens, weil eine knappe Mehrheit für das Ende der Krisenbekämpfung und der Rückkehr zur D-Mark auch heißt, dass es eine knappe Mehrheit dagegen gibt. Die mag sich an den Stammtischen nicht so laut zu Wort melden, aber sie sind da. Es ist die Gruppe derjenigen, die wissen, dass ein Ende des Euro - was ein Ausstieg Griechenlands letztlich einleiten würde - eine Rückkehr in die 1990er bedeuten würde. Allerdings ohne Nostalgie, dafür mit allen Nachteilen bis hin zu Zöllen und Schlagbäumen an den Grenzen. Die Ausstiegsforderungen an Griechenland, die am Wochenende zu hören waren, sind zwar nicht an Athen gerichtet, sondern an München, Augsburg, Nürnberg oder Regensburg, an Bayern also. Sie werden aber auch in New York, London oder sonstwo vernommen. Wenngleich dort die Namen Söder oder Dobrindt nicht unbedingt eine Rolle spielen, so sind deren Aussagen für die Märkte doch ein Indiz dafür, dass Deutschland eben nicht mehr mit einer Stimme spricht. Das ist die zweite Gefahr: Wenn Deutschland, das international als der Stabilitätsanker in der stürmischen See der Schuldenkrise gilt, nun weiter darüber streitet, was zu tun ist, ist ein wirkliches Ende des Euro vielleicht nur noch eine Frage der Zeit. Denn warum sollte man einer Frau Merkel noch glauben, wenn ihre eigene Koalition nicht einmal ihrer Meinung folgt? Das babylonische Sprachgewirr in Sachen Euro, das in Deutschland herrscht, speist sich aus der Verunsicherung, und nährt zugleich die Verunsicherung weiter. Aus der Bibel haben wir gelernt, dass Sprachgewirre die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt unmöglich machen. Daher ist es dringend nötig, wieder mit einer Stimme zu sprechen. Es wäre höchste Zeit, dass die Kanzlerin sich an die Menschen wendet. Interviews alleine reichen nicht mehr. Merkel war nie die Basta-Politikerin, und das war in der Krisenbewältigung auch gut so. Aber jetzt ist Zeit für ein Machtwort an die eigene Truppe. Und für eine Erklärstunde für die deutschen Bürger. Noch scheut man in Berlin diesen Schritt ganz offensichtlich. Aber vergeht noch mehr Zeit, wird das Stimmengewirr unübertönbar. Auch für die Kanzlerin.

Von Christian Kucznierz, MZ

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