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Mittelbayerische Zeitung: Vivat Regina Die britische Monarchie kann - trotz ihrer Schönheitsfehler - getrost in die Zukunft schauen. Leitartikel von Jochen Wittmann

Regensburg (ots)

Die Fundamente unterhöhlt? Die Monarchie ein Auslaufmodell? Queen Elizabeth die letzte Königin auf dem Thron Britanniens? Wer den anschwellenden Jubelgesang zum diamantenen Thronjubiläum der Queen hört, wird eines anderen belehrt. Die britische Monarchie mag vielen anachronistisch anmuten - aber sie ist putzmunter und dürfte auch im 21. Jahrhundert überleben. Der Grund dafür liegt nicht nur in den königlichen Spektakeln, die anlässlich von Hochzeiten, Geburten, Beerdigungen oder, wie demnächst, zum 60. Thronjubiläum geboten werden. Doch selbst die sollte man nicht unterschätzen. Eine Republik mag demokratischer sein, aber eine Monarchie stellt einfach eine bessere Show auf die Beine. Wie hatte Britanniens berühmter Verfassungsrechtler Walter Bagehot schon im 19. Jahrhundert festgestellt: "Je demokratischer wir werden, desto mehr mögen wir das große Schauspiel, das ja schon seit jeher den vulgären Geschmack erfreut hat." Rund drei Viertel aller Briten jedenfalls wollen nicht, dass die Monarchie abgeschafft wird - das ist, selbst wenn man den temporären Sympathie-Bonus aufgrund des Queen-Jubiläums abzieht, eine grundsolide Basis. Ihre Untertanen können sich einfach nicht vorstellen, wer den Job des Staatsoberhauptes besser ausfüllen könnte als Elizabeth II. Höchstens 15 Prozent denken, dass eine Republik mit einem gewählten Repräsentanten vorzuziehen wäre. Den Rest schüttelt es bei dem Gedanken, dass ein abgehalfterter Politiker an der Spitze des Staates stehen sollte. "Vivat Regina!" also? Die Monarchie als bessere Staatsform? Für Großbritannien, das, von Japan abgesehen, das älteste Königshaus der Welt aufweist und die älteste Demokratie sowieso mag das durchaus zutreffen. "Meine Generation", gab Premierminister Tony Blair zu bedenken, "die in den 60er- und 70er-Jahren herangewachsen ist, hat sich oft gefragt, welche Staatsform für uns die beste wäre. Viele meiner Altersgenossen sind dabei zu dem Schluss gelangt, dass die konstitutionelle Monarchie wirklich das beste System für uns ist - nicht aus dem Gefühl oder der Tradition heraus, sondern ganz rational betrachtet: das überlegenere System." Ein System, das sicherlich Schönheitsfehler hat. Die britische Monarchie ist sexistisch, weil sie männliche Thronfolger bevorzugt, diskriminiert uneheliche und adoptierte Kinder ebenso wie Angehörige anderer Glaubensrichtungen als des Anglikanismus und basiert auf dem politisch völlig inkorrektem Erbfolgeprinzip. Davon abgesehen leistet sie für Großbritannien einen vitalen Dienst. Nicht nur funktioniert die Monarchie als die einigende Klammer, das ein Staatsgebilde von vier verschiedenen Nationalitäten zusammenhält. Sie wirkt ausgleichend und somit stabilisierend. Sie verspricht Kontinuität und stiftet eine Identität, die in Zeiten erodierender nationaler Souveränität den Bürgern wichtiger denn je erscheint. Und nicht zuletzt ist es dieser Staatsform zu verdanken, dass in Großbritannien radikale Strömungen keine politische Zukunft haben. Wenn die Queen einen Hindu-Tempel besucht, der Thronfolger den Dialog zwischen den Religionen fördert und das Königshaus aus vollem Herzen die multikulturelle Gesellschaft gutheißt, die Großbritannien mittlerweile ist, dann wird dadurch jeglichem Chauvinismus und Extremismus das Wasser abgegraben. Die Sinnstiftung nationaler Symbole bleibt damit der Mitte überlassen - und das kann so schlecht doch nicht sein.

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